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vor; hier warf ihn aber eine feindliche Kugel schwer verwundet zu Boden. Bis in die Nacht dauerte dann der heftige Kampf um diese und um die Lamboybrücke noch fort, ohne daß eine neue Wendung herbeigeführt ward. Als es dunkel geworden, marschirten die Franzosen nach Frankfurt ab.

Der Kampf der beiden Tage hatte den Verbündeten gegen 9000 Mann gekostet; der Verlust der Franzosen ist wohl nicht geringer gewesen,*) allein sie hatten doch ihren Rückzug nach dem Rhein mit einem Erfolge durchgekämpft, wie er sich in den ersten Stunden nach der Leipziger Katastrophe faum erwarten ließ. Wrede ward von den Monarchen für seine Niederlage so geehrt, wie wenn er den glänzendsten Sieg erfochten hätte; man mochte dabei das politische Verdienst mehr in Rechnung bringen, als das militärische. Denn der hartnäckige Kampf bei Hanau gab eine Bürgschaft dafür, daß Baiern jezt fest zur Coalition stehen und alle bonapartefirenden Hintergedanken vorerst aufgeben werde. Diese Bürgschaft den Verbündeten zu ge ben, war auch für Wrede ein Motiv gewesen, sich so ungestüm in den Kampf zu stürzen. Und diesen Zweck hatte er erreicht; das Verhältniß Baierns zu den Alliirten ließ kaum bemerken, daß dasselbe so lange und eifrig an Bo naparte's Seite gefochten; dem General Wrede selbst ward ein Vertrauen er wiesen, wozu wenigstens seine Vergangenheit im Napoleonischen Dienste ihm kein Anrecht gab. Denn nicht nur 1809 hatte sich dieser neugeworbene Condottiere des deutschen Freiheitskrieges gegen Alles, was deutsch und patriotisch war, als eine der dienstfertigsten Creaturen des Bonapartismus hervorgethan; noch jüngst, sechs Wochen bevor er in Hanau seinen Einstand gab, erließ er eine Proclamation, worin er mit der ihm eigenen Eleganz die braven Führer des Tiroler Aufstandes, Speckbacher und seine Kameraden, als verruchte Bösewichter" und Auswürflinge" bezeichnete.**) Aber die Zeit war nicht fern, wo solche Persönlichkeiten der leitenden Diplomatie minder unbequem waren, als die fiegreichen Helden des Krieges von 1813 mit ihren großen Leistungen und ihren stolzen deutschen Prätensionen.

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Am 1. und 2. November überschritten die Reste des französischen Heeres bei Mainz den Rhein; drei Tage später war das Hauptquartier der Alliirten in Frankfurt. Es waren im Ganzen noch ungefähr 70,000 Mann, die Na poleon von der großen Armee hinüberbrachte. Der Triumph war den Geg. nern nicht geworden, die ganze Heeresmacht nach den Leipziger Schlachten zu zertrümmern, aufzulösen und gefangen zu nehmen, allein das Ergebniß war

*) Französische Quellen wollen nur von 3000 Mann Verlust wissen, während die bairischen Berichte (s. Heilmann S. 262. 277) die Einbuße allein an Gefangenen zu 10,000 Mann, Alles in Allem zu 15,000 Mann berechnen.

**) Aufruf d. d. Braunau, 18. Sept.

doch nicht sehr verschieden. Die Truppen hatten an Strapaßen und Entbehrungen, wie an Ausdauer im Kampfe das Größte geleistet; eben jezt noch, obwol schon tief erschöpft, krank und hungernd, rafften sie sich mit seltener Energie zum leßten verzweifelten Widerstand zusammen, um sich den Weg zum Rheine zu erkämpfen. Aber nun forderte die Natur ihre Rechte; der Keim tödtlicher Nervenkrankheiten bildete sich mit furchtbarer Raschheit aus und nahm den größten Theil von denen hinweg, welche die Niederlagen und die Flucht von 1813 überlebt hatten. Nur weniges von diesem Heere ist wieder in die Schlacht ausgezogen; von siebenhundert Geschüßen blieben dem Imperator noch 200; die Besaßungen der Festungen, an Zahl einer großen Armee gleich, waren abgeschnitten. So näherte sich die Niederlage der Katastrophe in Rußland; eine ganze Heeresrüstung war vernichtet und zwar die legte, die Frankreich geben konnte.

In den Festungen zwischen Rhein und Weichsel lagen noch gegen 190,000 Mann mit zahlreichem Geschüß und unermeßlichem Material"); in Polen waren Modlin und Zamosk, an der Weichsel Danzig, an der Oder Stettin, Küstrin und Glogau, an der Elbe Hamburg, Magdeburg, Wittenberg, Torgau und Dresden noch von den Franzosen befeßt, aber jetzt von jeder Hoffnung des Entsaßes abgeschnitten.

Zuerst fiel Dresden. Dort stand noch als verlorener Posten St. Cyr mit einigen dreißigtausend Mann auf einem aufgezehrten Boden, der hald die Mittel zur Erhaltung solch eines Heeres versagen mußte. Anfangs nur ven einem kleinen Corps beobachtet, ward nach dem Siege bei Leipzig die Stadt durch Klenau ernstlich blokirt. Ein Versuch, sich durchzuschlagen, miß lang (6. November); es blieb St. Cyr nichts übrig, als zu capituliren. Der österreichische General war gutmüthig genug, der Besaßung in der Weise freien Abzug zu gewähren, daß sie unbewaffnet in die Heimath zurückkehren sollte, um dort kriegsgefangen zu sein und sechs Monate nicht gegen die Verbündeten zu dienen.**) Ohne die Genehmigung der Monarchen abzuwarten, wurde dies sehr günstige Abkommen in Vollzug gesetzt. Erschien es wie eine tadelnswerthe Schwäche, einen Vertrag zu schließen, von dem man keinerlei Sicherheit hatte, daß er erfüllt ward, so war es auf der anderen Seite der Sieger nicht würdig, nachträglich, als die Besatzung bereits auf dem Marsche war, den Vertrag zu caffiren und die Truppen aufzufordern, nach Dresden zurückzukehren und dort ihre Waffen wieder zu empfangen. Sie zogen die Gefangenschaft vor. St. Cyr und Lobau mit dreißig anderen Generalen, 1759 Officieren und 33,744 Mann wurden so Kriegsgefangene der Verbündeten.

*) So hoch berechnet Thiers XVI. 534 die Summe der Besatzungen.

**) Daß Klenau dazu nicht ermächtigt war, zeigen die Mittheilungen bei Lord Burgersh, S. 30. 198.

In Danzig stand Rapp mit einer buntgemischten Besaßung von Franzosen, Polen, Deutschen, Italienern, den Trümmern der aus Rußland dahin verschlagenen Heerestheile. Von den 35,000 Mann, die sie zählte, war an fangs kaum ein Drittel gesund und waffentüchtig; erst allmälig heb sich die Zahl der streitbaren Mannschaft wieder auf zwanzigtausend. Unter Mühen und Entbehrungen aller Art leistete Rapp Monate lang heldenmüthigen Wi derstand, bis auch ihn gegen Ende des Jahres der Mangel zwang, an Uebergabe zu denken. Es ward eine Capitulation unterzeichnet, wonach die Festung am 1. Januar 1814 übergeben werden, die Besatzung mit sechshundert Bewaffneten und einigen bespannten Kanonen, die Uebrigen unbewaffnet freien Abzug erhalten, die geborenen Franzosen binnen Jahresfrist nicht gegen die Verbündeten dienen sollten. Auch dieser Vertrag ward vom russischen Kaiser annullirt, weil die Besatzung von Thorn, die man unter ähnlichen Bedingungen freigelassen, vor der abgelaufenen Frist wieder in Kriegsdienst getreten sei. So wurde auch Rapp mit 15,000 Mann und 10,000 Kranken kriegsgefangen; nicht weniger als 1300 Geschüße wurden eine Beute der Sieger.

Die übrigen Plätze sind entweder im Frühjahr 1814 gefallen oder erst nach Napoleons Sturz geräumt worden. In Hamburg trieb nach wie vor Daveust sein wildes Wesen. Unermeßliche Gelderpressungen, Beraubung der Bank und barbarische Bedrückungen der Bürger hatten den Anfang gemacht, dann wurden seit der Weihnachtswoche alle Vorstädte, alle Vordörfer und alle die herrlichen Landhäuser an der Alster nach einer nur achtstündigen Ankündigung niedergebrannt und an zwanzigtausend Menschen aus der Stadt gesteßen, zuerst die Jungen und Starken als gefährlich, dann die Alten und Schwachen als überflüssig; die Waisenkinder, die Gebrechlichen, die Züchtlinge wurden vor die There gebracht, ja am Nachmittag des 30. December befahl Davoust das mit achthundert Kranken und Wahnsinnigen gefüllte Krankenhaus zu leeren, am anderen Tage werde es in Brand gesteckt werden. Unter wilden Scenen der Plünderung und Scheußlichkeiten aller Art ward das Gebäude geräumt, aber die Todesangst in dem wilden Gedränge und die strenge Januarkälte kosteten in den nächsten Tagen fast sechshundert der geflüchteten Kranken das Leben.")

Wenn irgendwe, so war hier die unerbittlichste Züchtigung zu wünschen; doch war wenig Aussicht, daß es dazu kommen werde. Bernadotte war zwar bald nach der Entscheidung von Leipzig nach Norddeutschland aufgebrochen; allein wie er im Frühjahr nichts gethan, um Hamburg vor Davoust zu schützen, so war er auch jetzt nicht geneigt, es ihm zu entreißen. Ihn drängte es, seine norwegischen Entwürfe zu verfolgen; er mechte denken, sie schen zu lange vertagt zu haben. Für Bülow war dies ein erwünschter Anlaß sich loszumachen von der selbstsüchtigen Leitung des Kronprinzen; er erkat und

*) S. Perthes Leben, I. 333. 334.

erlangte von den Monarchen die Erlaubniß zu einer besonderen Unterneh mung, die von Gneisenau zuerst vorgeschlagen, zu einem der folgenreichsten Ergebnisse geführt hat, zur Befreiung ven Holland. Bernadotte selbst brach gegen die Niederelbe auf, versuchte eine fruchtlese Unterhandlung mit Davoust und überließ es dann Vennigsen, der zu Ende des Jahres heranzeg, Hamburg zu nehmen. An der schwerbedrängten Stadt verüber zog er nach Helstein, überraschte die Dänen, drang bis an die Eider ver und preßte ihnen (14. Jan. 1814) zu Kiel den Frieden ab, der vorerst seinen dringendsten Wünschen Gewährung verhieß. In Hamburg hielt sich dann Daveust, bis Napoleon gestürzt war und der mit den Bourbens abgeschlossene Friede es ihm möglich machte, ungezüchtigt und ohne lästige Bedingungen den Ort sei ner Greuelthaten zu verlassen.

Noch ehe Dänemark, der letzte nordische Alliirte Napoleons, sich von ihm lesgesagt, waren unter dem frischen Eindruck des Sieges von Leipzig auch die Ketten gesprengt worden, welche einen Theil des deutschen Südens und Westens an den Imperator fesselten. Wie lebhaft und ungeduldig sich auch in diesen Gebieten die Sympathien der Bevölkerung für die deutsche Sache regen mochten, die Regierungen waren bis jezt in unverwandtem Geherjam dem fremden Gebieter zugethan geblieben. Nicht die Siege vom August und September, nicht Baierns Nebertritt zu den Verbündeten, nicht der jähe Umsturz Westfalens, nicht die Symptome des Abfalls in den eigenen rheinbändischen Heeren vermochten die Bande dieser Unterthänigkeit zu lösen. Und wäre es nur der bittere Zwang gewesen, der die Höfe und Dynastien festhielt in der Treue gegen den Protector, weil seine Heere nahe und die Verbündeten noch fern waren; allein auch ihre Sympathien neigten mehr. zur Napoleonischen Sache als zum Kampfe für die deutsche Unabhängigkeit. Der Württemberger Despot trat den Kundgebungen vaterländischer Gesinnung mit schroffer Feindseligkeit entgegen; aus seinen officiellen Aeußerungen sprach derselbe Geist unbändigen Sultanismus, wie in den Tagen ungeschwächter Herrlichkeit. Noch in dem Augenblick, wo er selbst die Nothwendigkeit eines politischen Wechsels erkannte, wies er die Sympathien für die deutsche Sache in trosigem Tone als überspannte Ideen" zurück und erklärte: „er fordere von seinen Dienern nur Intereffe für ihren König und sein Reich und jedes allgemeine Interesse enthalte eine strafbare Einmischung in die Absichten des Gouvernements." Darum rühmen auch Bonapartistische Schriftsteller von ihm ausdrücklich,*) er sei selbst nach seinem er.

*) Bignon, XIII. 2. 3. Wie das Anerbieten Wredes dem Bunde beizutreten, zuerst an den König gelangte, ward es schroff abgelehnt und wie eine Beleidigung gedentet; seit dem 22. Oct. überzeugte man sich aber doch, daß es Zeit sei einzulenken.

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zwungenen Abfall noch unabhängig und fest geblieben, habe nur langsam gerüstet, die bei Leipzig abgefallenen Truppen gezüchtigt und überhaupt seine Treue für die französische Sache so lange als möglich bewahrt." Im Lager der Alliirten selbst galt es als eine bekannte Sache, daß der König auf die Nachricht, Wrede sei bei Hanau geschlagen und getödtet worden, mit seinen unsauberen Gesellen sich der wildesten Freude hingegeben und auf das Wohl Napoleons getrunken hatte. Daß er nach dem Uebertritte seine Gesinnung nicht änderte, ließ sich denken; darum ward selbst in den zahmsten diplomatischen Kreisen schon im December die Frage aufgeworfen, ob man ihn nicht unschädlich machen müsse; man wünschte nur, jeden „Eclat“ zu vermeiden.*) Zwar thaten es die anderen Fürsten des Rheinbundes dem König Friedrich in cynischer Hingebung an eine Knechtschaft, die durch schrankenlose Despotie im eigenen Lande versüßt war, nicht gleich, aber die Erinnerung deutschen Stolzes und deutscher Ehre war auch ihnen verloren gegangen. In Darm. stadt und in Karlsruhe mäßigte man sich wohl mehr als zu Stuttgart in den Kundgebungen Bonaparte'schen Diensteifers, allein man sah doch auch hier in Napoleons Sache die eigene. Auch Großherzog Karl von Baden hat es für nöthig gehalten, nachdem man ihn halb gezwungen, den Bund mit dem Imperator zu lösen, diesem sein lebhaftestes und aufrichtigstes Bedauern“ darüber aussprechen zu lassen.

Bis in die letzten drängenden Stunden suchte man die Bevölkerungen mit den trügerischen Siegesbotschaften zu betäuben, die der Pariser Moniteur nach wie vor in reicher Fülle brachte. Es gab nichts Kläglicheres, als die officielle Presse dieser Regierungen und ihr Bemühen, der Welt zu verbergen, daß sich eine Katastrophe vorbereite. Bis in den October hat sie von den glorreichen Tagen von der Kazbach, Kulm, Dennewiß nicht einmal noth. dürftigen Bericht gegeben, sondern fütterte noch immer ihre Leser mit aus führlichen Schilderungen des Sieges bei Dresden. Noch drei Tage nach dem Siege von Leipzig ließ eine dieser Zeitungen in einem Extrablatte glorreiche Siege der Franzosen vom 11. und 12. October verkündigen und versicherte zuversichtlich: „die Angelegenheiten nehmen die erwünschteste Wendung." Ja noch am 24. October war dort von einer Estafette berichtet, wonach „der Kaiser neuerdings den Feind völlig geschlagen habe" und sich am 19. Oct. neue Kriegsvorfälle zum Vortheil der französischen Armee zugetragen hätten.") Dann erst, in den letten Octobertagen, tauchte allmälig als schüchternes Ge rücht die Kunde von großen Vortheilen" auf, welche die Alliirten am 16., 17. und 18. Oct. in der Gegend von Leipzig erfochten haben sollten"; und wie hierauf die Flucht des französischen Kaisers, der Einzug der Alliirten in Frankfurt und die Räumung des rechten Rheinufers von den Franzosen sich

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*) Aberdeen an Caftlereagh d. d. 24. Dec. in der Corresp., I. 110 f.` **) S. Badische Staatszeitung, No. 292. 295. 296. 298.

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