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Lehre und Wehre.

Jahrgang 61.

April 1915.

Der Prophet Jonas.

(Konferenzarbeit.)

Nr. 4.

Jonas mit seinem Buch ist wohl der bestgeschmähte und in seiner Weise bekannteste und meistgenannte unter allen Propheten. Und was ihn so berühmt gemacht und in aller Mund gebracht hat, ist vor allem der Fisch. Delißsch meldet, daß er in der arabischen Literatur auch geradezu der Mann des Fisches" genannt werde. Die Geschichte mit dem Fisch ist je und je Gegenstand mehr oder weniger wißiger Spöttereien gewesen. Es gehört ja zu der genügenden Ausrüstung des Durchschnittsspötters, daß er fragen kann, wo Kain sein Weib her hatte, und einige Wiße über Jonas' Fisch machen kann; und wenn er besonders formidabel sein will, dann kommen wohl noch die Schweine der Gergesener dazu. Die rationalistische Theologie" hat das Buch um keinen Deut besser behandelt. Und wenn man den Grund des Anstoßes kurz angeben will, dann ist es im Grunde wieder der Fisch, das heißt, das betreffende Wunder. Auch Deligsch sagt: „Die im Koran sich findenden Anachronismen und Entstellungen der Geschichte des Jonas find in gar keinen Vergleich zu stellen mit den Fraßen, welche die moderne Kritik dem Buche Jona aufge= drückt hat."1)

Doch darüber, über die Geschichtlichkeit des Buches, seine Tendenz und typische Bedeutung, wollen wir hernach reden, nachdem wir das Buch selbst seinem Inhalte nach kurz durchgegangen sind.

I. Kapitel: Jonas' Ungehorsam und Strafe.

Das Buch Jona zerfällt deutlich in die drei Abschnitte: 1. des Propheten erstmalige Sendung, seine Flucht, Strafe und Rettung; 2. die zweite Sendung mit ihrem wunderbaren Erfolg; 3. des Pro

1) „Etwas über das Buch Jona." Zeitschrift für die gesamte lutherische Theologie und Kirche. Von Rudelbach und Guerite. 1840. II, S. 113.

pheten Schmollen über den den Heiden gnädigen Gott und die göttliche Zurechtweisung dafür.

Das Buch hat einen abrupten Anfang und noch mehr einen abgerissenen Schluß. Baumgarten sagt in einem viel zitierten Artikel in der Zeitschrift von Rudelbach und Guerike: „Die Tatsachen des Buches Jona sind zu vergleichen dem Auftreten des Melchisedek, der, aus dem dunklen Hintergrunde hervortretend, als Priester des Höchsten auftritt und spurlos wieder verschwindet, der Anbetung der Magier, von denen niemand weiß, woher sie gekommen, und wohin fie gegangen, am allermeisten aber dem Wandeln JEsu in den Grenzen von Thrus und Sidon und seinem Verkehr mit der Stadt der Samariter." (Jahrg. 1841, II, S. 7.)

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Etwas wissen wir über die Person des Propheten doch. Im zweiten Buch der Könige (14, 25) finden wir am Ende der Lebensbeschreibung Jerobeams II. diese Notiz: „Er aber brachte wieder herzu die Grenze Israels von Hemath an bis ans Meer, das im blachen Felde liegt, nach dem Wort des HErrn, des Gottes Jsraels, das er geredet hatte durch seinen Knecht Jona, den Sohn Amithais, den Propheten, der von Gath-Hepher war." Jona, der Sohn Amithais“, heißt er ja auch in unserm Buche, und Prophet ist er ja auch. Ez wäre daher mehr als sonderbar, wenn das nicht ein und dieselbe Person wäre. Beide Male ein Prophet, der Name derselbe und der Vatersname auch derselbe. Es ist auch kaum jemals im Ernst an der Identität gezweifelt worden. Folgende Angaben und Kombinationen Luthers werden als historisch richtig anerkannt: „So haben wir nun, daß dieser Jona gewesen ist zur Zeit des Königs Jerobeam, welches Großvater war der König Jehu, zu welcher Zeit der König Usia in Juda regierte; zu welcher Zeit auch gewesen sind in demselbigen Königreich Israel die Propheten Hosea, Amos, Joel an andern Orten und Städten.“2) Auch Delißsch sagt: „Auf jeden Fall ist der Prophet Ninives identisch mit dem gleichnamigen Propheten Jona, der zu Anfang der Regierung Jerobeams II., des Sohnes Joas' (825-784 v. Chr.), die Eroberung von Hemat und Damaskus weissagte (2 Kön. 14, 25), eine Identität, welche durch die einstimmige überlieferung des Altertums außer allen Zweifel gesezt wird. Die Identität beider bestätigt auch Josephus, der Art. IX, 11 in die Geschichte Jerobeams II. die unsers Propheten verwebt. Er ist somit älter als Hosea, Amos, Micha und Jesaias, die nach Baba-batra in einem Zeitraum weissagten. Er ist der älteste unter den lezten Propheten (D'78), deren schriftliche Denkmale uns aufbewahrt sind. Wir finden ihn wirksam als Prophet in einer Zeit, in welcher Elisa schon gestorben war; vielleicht ist er einer von dessen Jüngern, in der Prophetenschule des

2) Die Zitate aus Luther sind aus seiner Auslegung des Propheten Jona. St. L. XIV, 836 ff.

selben gebildet (2 Kön. 14, 25; Jona 1, 9. 10; cf. Amos 7, 14). Problematisch ist die Zeit seiner Sendung nach Ninive." (A. a. D., G. 113.)

Jonas stammte aus Gath-Hepher im Stamme Sebulon, nach jüdischer überlieferung bei Hieronymus haud grandis viculus Geth nordwärts von Nazareth an der Straße von Septoris nach Tiberias, an der Stelle des heutigen Dorfes Meschad. Nach Hieronymus erzählten sich die Juden, Jonas sei der Sohn der Witwe zu Zarpath bei Sidon gewesen, die den Propheten Elias zur teuren Zeit ernährt hat. Da ist gewiß richtig, was Keil dazu bemerkt: „Die von Hieronymus im Prooemium zu Jona erwähnte jüdische überlieferung, daß Jona jener Sohn der Witwe zu Zarpath gewesen, den Elias vom Tode erweckt habe, erweist sich schon nach der von Hiernohmus 1. c. mitgeteilten Begründung: matre postea dicente ad eum: Nunc cognovi, quia vir Dei es tu, et verbum Dei in ore tuo est veritas; et ob hanc causam etiam ipsum puerum sic vocatum. Amathi enim in nostra lingua veritatem sonat als eine nur aus dem Namen Sohn Amathai (viov 'Aμaví, LXX) gefolgerte jüdische Haggada, die ebensowenig geschichtlichen Grund hat als die überlieferung über das Grab des Propheten, welches sowohl bei Meschad in Galiläa als bei Ninive in Assyrien gezeigt wird." Wir sagen mit Luther: „Das glaube, wer da will; ich glaube es nicht; sondern sein Vater hat Amithai geheißen, auf lateinisch Verax, auf deutsch Wahrlich, und ist gewesen von GathHepher, welche Stadt liegt im Stamme Sebulon, Jos. 19, 13. . . Auch so war die Witwe zu Zarpath eine Heidin, wie Christus auch meldet Luk. 4, 26; aber Jona bekennt hier Kap. 1, 9, er sei ein Hebräer."

Von einer andern jüdischen Sage urteilt Delitzsch: „Einer völlig unbegründeten Vermutung zufolge, die nach Seder Olam auch Laschi wiederholt, ist er der eine der Prophetenjünger (2 Kön. 9, 1), von dem Jehu zum Könige gesalbt wurde (884 v. Chr.)." Baumgarten dagegen hält es für möglich, daß die Sage auf geschichtlicher Wahrheit beruht. Er hält es für wahrscheinlich, daß die Verheißung der von Jerobeam II. ausgeführten Grenzerweiterung nicht erst diesem, sondern schon dem Jehu gegeben worden sei. Er legt sich die Sache so zurecht: über die Zeit, in welcher diese Weissagung gegeben sei, wird zwar nichts bestimmt, allein sie läßt sich doch mit Wahrscheinlichkeit angeben. Hafael, der Shrer, war der dem Eiferer Elia verheißene Rächer der Sünden Ahabs (1 Kön. 19, 15; 2, 8. 12). Hasael schlägt Joram, den Sohn Ahabs (2 Kön. 8, 28), und er muß es gewesen sein, der die Grenze Israels gegen Syrien vorrückte; denn Benhadad hatte fie dem Ahab wiederherstellen müssen (1 Kön. 20, 34), wie denn überall der Hauptschlag nicht den Ahab, sondern seinen Sohn treffen sollte (1 Яön. 21, 29). An die Niederlage Jorams schließt sich unmittelbar die Salbung Jehus, der gleichfalls dem Elia als Rächer verheißen war.

Die Salbung Jehus ist aber ein Gnadenzeichen über Israel; denn Jehu wird Israel als dem Volke Jehovahs zum Könige gegeben (2 Kön. 9, 6), und nachdem er seinen nächsten Auftrag ausgerichtet, wird ihm eine besondere Verheißung erteilt (2 Kön. 10, 30). Hier findet nun auch die Verheißung des Jonas, daß die von Hafael verrückte Grenze wiederhergestellt werden sollte, ihre natürliche Veranlassung und Stätte. Und in diesem Lichte besehen, ist die Meinung der Juden, daß der von Elisa mit der Salbung Jehus beauftragte Prophetenjünger kein anderer als Jonas gewesen, so uneben nicht, obgleich sie natürlich in ihrer Bestimmtheit zu weit greift. Wollen wir aber das Gewisse von dem Ungewissen scheiden, so steht jedenfalls so viel fest, daß Jonas an Israel eine Heilsbotschaft auszurichten hatte, welche in die lette Gnadenzeit Israels, in die Zeit des Hauses Jehu, fällt. Denn unter Jerobeam treten schon Hosea und Amos auf und drohen Israel nahes Verderben. Jerobeams Sohn, Sacharia, der lezte Sproß des Hauses Jehu, wird schon nach sechzehnmonatiger Regierung getötet, und nun geht Israel mit raschen Schritten dem Untergange entgegen.“ (A. a. O., S. 3.) Einen schönen Namen hatte Jonas für seinen Prophetenberuf: Jonas, der Sohn Amithais. Jona heißt auf hebräisch die Taube. Taubeneinfalt mit Schlangenklugheit verbinden und ein Sohn der Wahrheit, aus der Wahrheit sein, das ist ja die herrlichste Begabung und Ausrüstung eines Boten des göttlichen Wortes.

Zu diesem Jonas geschah nun, wie unser Buch erzählt, das Wort des HErrn, die geläufigste Bezeichnung für Berufung und Sendung eines Propheten. Sein Auftrag lautet: „Mache dich auf und gehe in die große Stadt Ninive und predige darinnen; denn ihre Bosheit ist heraufkommen vor mich.“ Er wird gesandt nach Ninive, der uralten Stadt, von der schon 1 Mos. 10, 11 die Rede ist, daß Nimrod sie gebaut habe, und da schon wird V. 12 gesagt: Dies ist eine große Stadt." So heißt hier Ninive einfach die große Stadt. Diodor nennt sie die größte Stadt der Welt, größer als Babylon. Ninive war die Hauptstadt Assyriens. Dahin wird er gesandt, da soll er predigen. Und nicht nur, wie Luther es gibt, in derselben, auch nicht bloß ihr oder zu ihr, mit e oder S, sondern sp, das griechische xnovooer, mit by, heißt ausrufen, predigen wider sie, Zeugnis ablegen gegen fic. Es ist also Gericht- und Strafpredigt, die aber, wie Jonas gleich merkt, die Niniviten auch zur Buße treiben kann und soll. Daß die Predigt Strafe und Drohung sein soll, zeigt auch die Begründung: Jhre Bosheit ist vor Gott gekommen, das heißt, das Gerücht, die Kunde, von ihrer großen Verderbtheit ist zu Gott in den Himmel gedrungen, ist himmelschreiend geworden; sie hat das Maß ihrer Sünden erfüllt, ist reif zum Gericht. Es ist eine ähnliche Redeweise, wie sie 1 Mos. 18, 20 von Sodom und Gomorra gebraucht wird. Welches die besondere Sünde Ninives war, wird nicht gesagt. Ausleger erinnern an das Sprichwort: Große Städte, große Sünden.

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Hochmut, Lieblosigkeit, Unterdrückung und Gewalttätigkeit, Mißbrauch der Macht und des Reichtums werden die Sünden gewesen sein, und die Sünden der Unzucht werden auch nicht gefehlt haben abgesehen natürlich von ihrem scheußlichen Gößendienst, der Hauptsünde. Da soll nun Jonas der Stadt Gottes Zorn und Gericht verkündigen.

Aber der Prophet flieht; er sucht sich dem Auftrag zu entziehen. Und zwar will er es gründlich machen, er will gleich weit genug fliehen, in die entgegengesette Richtung, und zwar da so weit, wie man damals fliehen konnte. Er geht nach Japho, im Neuen Testament Joppe genannt, der schon zu Salomos Zeit bekannten Hafenstadt am Mittelländischen Meer. Er findet da ein Schiff, das nach Tarsis fährt. Da bezahlt er sein Fährgeld, will mitfahren und glaubt, seinem Gott und dessen Beruf entronnen zu sein. Tarsis hat Luther nach dem Vorgange mancher Rabbiner mit „Meer" wiedergegeben, wie er nach denselben Vorgängern Tarsisschiffe mit Meerschiffen wiedergibt. Manche alte Ausleger verstehen unter Tarsis die Stadt Tarsus in Zilizien, die Geburtsstadt Pauli, und ziehen eine Parallele zwischen Jonas und Paulus, heben hervor, wie Paulus sich zu Gottes Beruf ganz anders stellte, sich dabei nicht lange mit Fleisch und Blut besprach. Aber Tarsis ist Tartessus in Spanien, die entlegenste Kolonie der Phönizier, das äußerste Ende der damals bekannten Erde. Er versucht das, was der 139. Psalm als den äußersten und doch vergeblichen Versuch, sich vor Gott zu verbergen, angibt: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer.“

Man hat gefragt: ob der Prophet wirklich geglaubt habe, daß man Gott entlaufen könne, oder ob er nicht auch geglaubt habe, was Pf. 139 steht. Keil bemerkt: „7, von dem Angesichte Jahves weg, das heißt, hinweg aus der Gegenwart des HErrn, aus dem Lande Israel, wo Jahve im Tempel wohnte und sich als gegenwärtig bezeugte, vgl. Gen. 4, 16; nicht um sich vor dem allgegenwärtigen Gotte zu verbergen, sondern um sich dem Dienste Jahves, des Gottkönigs von Israel, zu entziehen." Er zitiert Mard: ,,Quod non debet intelligi de effugienda Dei essentia et scientia, ne nimis crassam inscitiam omnipraesentiae et omniscientiae divinae vati magno tribuamus, sed de relinquenda terra Canaan, gratiosa Dei sede, extra quam cogitavit forte, saltem hoc tempore, prophetiae donum et munus sibi non fore tribuendum." Delizsch: „Es ist ungewiß, ob er schon dem in der nachmaligen jüdischen Dogmatik ausgesprochenen Sabe huldigte, daß der Geist der Prophetie oder die Schekina auf heidnischem Grund und Boden (nn) sich nicht offenbare. Der Prophet, sagt die synagogale Tradition, gleicht dem Knechte eines Priesters, der seinem Herrn entfloh und sich auf dem Begräbnisplay (wohin ihm der Priester nicht folgen durfte) verbarg. Bei deinem Leben!' rief der Herr, ich habe andere Knechte wie du, sie dir nachzuschicken und dich hervorzichen zu lassen.““ (A. a. O., S. 114.) Hengstenberg: „So verläßt er das

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