Obrázky stránek
PDF
ePub

"

borreformatorischer Zeit zur Geltung zu bringen wußte, und den Herrscherton, mit dem in jenen Jahrhunderten der Bischof zu Rom den Fürsten und Völkern das Recht, Krieg zu führen und den Frieden zu schließen, absprach oder zuerkannte, so tritt die politische Ohnmacht des Papsttums im zwanzigsten Jahrhundert gerade in diesem leßten Rundschreiben des Papstes flar zutage. Im Alten Glauben" schrieb man kürzlich: „Die Lage des römischen Papstes ist jezt wirklich keine beneidenswerte. Vor kurzem noch stand er als ein Friedensfürst zwischen den streitenden Nationen, Gesandte aller Völker, auch des bisher nicht vertretenen englischen, sammelten sich um ihn, Friedensfeiern und Friedensgebete gleichen Inhalts wurden für die Katholiken der verschiedenen Länder angeordnet. Mit Vorschlägen zur Milderung der Kriegsführung trat er an die Regierungen heran, mahnte auch die mächtige nordamerikanische Republik, eine Friedensliebe der Tat und Wahrheit zu beweisen. Und jezt? Ein Kriegsstrudel, leidenschaftlicher, verbrecherischer und törichter noch als die andern, ist in der Heimat des Papsttums ausgebrochen und brandet im ewigen Rom' am höchsten. Die Gesandten des Vatikans sind abgereist, Säulen der päpstlichen Regierung, wie der aus Österreich stammende Jesuitengeneral, haben fliehen müssen, jeder direkte und geheime Verkehr mit Angehörigen des ‚feindlichen' Auslandes ist dem Stellvertreter Christi' von der italienischen Regierung untersagt. Gerüchte von einem päpstlichen Auszug nach Spanien oder gar nach Südfrankreich durchschwirren die Luft. Was wird werden? Zwei Wege stehen dem bedrängten Kirchenfürsten offen. Er kann inmitten des gewaltigen, die ganze Welt ergreifenden Krieges endlich und mit aller Entschiedenheit seiner eigenen weltlichen Herrschaft den Abschied geben und sich auf seinen kirchlichen und sittlichen Einfluß beschränken, der immerhin weit über die Grenzen seiner Gläubigen hinausgeht. Dann ist er grundsäßlich dem politischen Parteitreiben und nationalen Gegensäßen entrückt und ebendeshalb einflußreicher als zuvor und den Bekennern des reinen Evangeliums vielleicht noch gefährlicher. Er mag aber auch von einem Sieg der europäischen Zentralmächte die Wiederherstellung des Kirchenstaates erhoffen und darauf alle feine Maßnahmen einstellen. Uns kann diese Entscheidung nicht gleichgültig sein. Denn mit der Macht der römischen Kirche werden wir in unserm Vaterland nach dem Krieg ernstlich zu rechnen haben und müssen eine notgedrungene Verteidigung darauf einrichten, ob wir es mit einem geistlichen Kirchenoberhaupt oder mit einem weltlichen Papstkönig zu tun haben. Auch möchten wir unser deutsches Volk nicht als Protektor eines wiederhergestellten Kirchenstaates mit neuen und unnötigen Lasten beladen sehen.“

G.

Die Darwinsche Lehre von der Entstehung der Arten galt jahrzehntelang als eine Hypothese, die nicht nur auf fester wissenschaftlicher Grundlage aufgebaut sei, sondern auch bei tieferer Forschung sich immer mehr als den Tatsachen entsprechend erweisen würde. Das Umgekehrte ist eingetreten. Während vor zehn Jahren ein deutscher Naturforscher ein Buch schrieb, das den Titel trug: „Am Sterbelager des Darwinismus“, könnte jezt füglich eine Fortseßung erscheinen unter dem Titel: „Am Sarge (oder Grabe) der Darwinschen Evolutionslehre." Die Darwinsche Theorie ist gescheitert an den Tatsachen, und zwar hauptsächlich an den Tatsachen der Hereditätswissenschaft. Vor einigen Monaten wurde das wieder von einem hervor

ragenden Mann der Wissenschaft betont, nämlich von Professor Bateson, dem Präsidenten der British Association for the Advancement of Science. Auf der in Melbourne, Australien, abgehaltenen Sizung dieser großen Gesellschaft sagte Prof. Bateson: "Variation is postulated as the basis of all evolutionary change. Do we, then, as a matter of fact, find in the world about us variations occurring of such a kind as to warrant faith in a contemporary progressive evolution? Until lately most of us would have said 'yes' without misgiving. We would have pointed, as Darwin did, to the immense range of diversity seen in many wild species so commonly that the difficulty is to define the types themselves. The appearance of contemporary variability proves to be an illusion. Variation from step to step in the series must occur either by the addition or by the loss of a factor. Now, of the origin of new forms by loss there seems to me to be fairly clear evidence, but of the contemporary acquisition of any new factor I see no satisfactory proof. . . . Modern research lends not the smallest encouragement or sanction to the view that gradual evolution occurs by the transformation of masses of individuals, though that fancy has fixed itself on the popular imagination. Almost the last shred of this error with which Victorian philosophy loved to clothe the theory of evolution has been destroyed. Those who would proclaim that whatever is right must hereafter base their faith on superstition and not on demonstrated scientific fact. The variations which result in evolutional changes all lie hidden in the living germs of things, and are not added from without by the effects of experience and environment." Im Darwinismus hat bekanntlich der Gedanke, daß äußere Umstände auf die Einzelwesen im Tier- und Pflanzenreich einwirken, und also Variationen entstehen, die Hauptrolle gespielt. Jezt sagt die Wissenschaft: Eine solche übertragung von Einwirkungen ist nicht nur unbewiesen, sondern sie ist geradezu unmöglich; das Individuum kann nichts von den Eigenschaften weitergeben, die es in seinem Bestehen als Einzelwesen erhalten hat. Die langsame Ansammlung von Unterschieden, die sich von Generation zu Generation häuften, bis sich eine neue Art entwickelt habe, war das Fundament der Dartinschen Lehre. Eine solche Ansammlung von Unterschieden findet aber nicht statt. Nach neuester Forschung bleibt die Zelle, durch die sich das Einzelwesen fortpflanzt, durch alle Änderungen im Körper der Eltern unberührt, kann auch keine Verschiedenheiten weitergeben, die dann im Laufe der Zeit als Merkmale einer besonderen Art gelten könnten. Der neue Grundsaß ist: "The parents can contribute nothing to what has been received in the process of biological inheritance." "All that external circumstances may do is to give the elements of heredity a fair chance or the reverse." Bateson hält Darwin für einen großen Sammler und Ordner wissenschaftlicher Tatsachen, aber die Theorie, die er auf diese Tatsachen aufbaute, habe sich überlebt. Jenen Phrasen, die vor einem halben Jahrhundert die ganze Welt berückten: „natürliche Zuchtwahl“, „Überleben der Fähigsten“, „Kampf ums Dasein“, bringt man heute in wissenschaftlichen Kreisen nur noch ein historisches Interesse entgegen, etwa wie den „äonen“ der Gnostiker und den vier Welten der Kabbala. G.

[blocks in formation]

1. Die Zeitdauer von tausend Jahren, auf die zunächst die Ethmologie des Wortes Chiliasmus hinweist, bildet bloß ein untergeordnetes und nicht immer streng festgehaltenes Moment desselben“ (Realenzkl. f. prot. Theol. u. Kirche [III], 3, S. 805.) Der Ausdruck „Chiliasmus" hatte bisher eine Beziehung vor allem auf die Idee eines herrlichen Friedens- und Wonnereiches, in welchem Christus nach seiner glorreichen Wiederkehr, als am Schlusse der zeitlichen Weltordnung, die verklärten und auferweckten Frommen auf Erden um sich sammeln und persönlich unmittelbar regieren werde. Diesem älteren Chiliasmus, der allerdings im reformierten und auch im lutherischen Lager (vgl. z. B. die neueste Auflage der Luthardtschen Dogmatik, S. 409 f.) noch sehr viele Anhänger hat, und der in den bizarren Endreichsgedanken eines Russell und anderer Schwärmer jezt neue Blüten treibt, ist wesentlich die Lehre von der sichtbaren Wiederkunft Christi, auch wo das Moment der tausend Jahre ganz zurückgetreten ist. Der neueste Chiliasmus unterscheidet sich von diesem, indem er außer den tausend Jahren auch jenes andere Hauptmoment, die persönliche Wiederkehr Christi, ausschaltet und die Vollendung des Gottesreichs auf dem Wege der rein geschichtlichen Entwicklung als Grundgedanken hat. Nicht von der Rückkehr Christi, sondern von der dem Christentum innewohnenden weltum bildenden Kraft läßt der neueste Chiliasmus das Glück der letzten Zeit, die ihm allerdings ewig ist, abhängig sein.

2. Der neueste Chiliasmus findet sich überall da zum Ausdruck gebracht, wo man den Advent eines idealen Weltzustandes, in dem das „Gefeß Christi“ die Völker regiert, in Aussicht stellt und darin daz „Kommen des Reichs“ erblickt. "The coming of the kingdom" ist Schlagwort des neuesten wie des alten Chiliasmus, "the fatherhood

of God and the brotherhood of man" sein ganzes Kredo. Es folgen einige typische Aussprachen.

Das neue Glaubensbekenntnis der Kongregationalistenkirche vom Jahre 1913 schließt mit dem Sab: "We work and pray for the transformation of the world into the kingdom of God; and we look with faith for the triumph of righteousness and for the life and glory everlasting."

Dr. Frank Crane schrieb im Cosmopolitan Magazine (April 1915): „Der Ruf des alten Evangeliums war: Rette!' (save). Der Ruf des neuen Evangeliums ist Diene!' (serve).“ „Und doch haben wir uns nicht verändert, wir sind nur gewachsen; wir haben gelernt, daß wir retten, indem wir dienen.“ „Wir sind viel religiöser als die Leute früherer Zeiten. Aber wir retten nicht den Brand aus dem Feuer, sondern löschen das Feuer.“ „Die Retter gaben die Welt als verloren auf und versuchten einzelne wenige zu retten. Die Dienenden haben den kühnen Plan, die Welt umzuwandeln (transform)."

Im baptistischen „Sendboten“ vom 19. November 1913 schreibt E. Umbach: „Das Reich Gottes kommt in einem Volke, wenn das nationale Leben mehr und mehr durchdrungen wird von dem Geiste Gottes, wenn die verschiedenen Lebensbeziehungen zwischen den Menschen in Einklang mit seinem Willen gebracht werden, wenn Gerechtigkeit und Liebe am Zunehmen sind. Wir stehen heute vor einer wunderbaren Hoffnung im Leben der Menschheit. Diese Hoffnung ist aus einer neuen Erkenntnis geflossen, der Erkenntnis, daß das Reich Gottes, wie Jesus es wollte, nicht nur ein lieblicher Traum, sondern eine praktische Möglichkeit ist. Wir sehen endlich ein, daß hinter sozialen Ungerechtigkeiten eben Ungerechtigkeit steckt, und daß Ungerechtigkeit schwinden muß, wenn das Reich Gottes kommen soll. Ja, das Reich Gottes ist am Kommen. Wenn nicht wir, so werden doch unsere Kinder einen besseren und schöneren Tag der Menschheit sehen."

Auch in die lutherische Kirche unsers Landes sind diese Gedanken schon eingedrungen und finden hie und da Widerhall in den Zeitschriften. Der United Lutheran, das Organ der Forenede Kirke (norwegisch), redete am 3. März 1911 von den sozialen Problemen und deren Lösung durch die Kirche und schloß die Ausführung dann mit den Worten: ""Thy kingdom come,' we believers pray. May God's kingdom come not only to the heart of this or that individual. but to the nation, the state, the town, and village in which we live. May Christ's kingdom come with civic and public righteousness over all the land 'as the waters cover the sea.'" Dasselbe Blatt malte am 28. Mai dieses Jahres folgendes Bild der Zustände in dem zu erwartenden Gottesreich: „Je mehr das Gottesreich in die Herzen kommt, desto brünstiger werden Menschen beten: ‚Dein Reich komme!' Die Herzen werden von Sünde gereinigt sein, das Gewissen wird nicht mehr anklagen, die Behausungen werden irdische Himmel sein, das

Dorf, die Stadt, der Staat, die Welt wird verwandelt (transformed) sein durch die Macht des Reichs. Geschäfte werden nicht mehr nach dem Gefeß der Selbstsucht, sondern nach dem der Liebe geführt werden, Kapital und Arbeit werden Frieden haben, der Geist des Friedens, nicht des Krieges wird auf den Völkern ruhen. Denn Gott ist der Vater aller, und alle Menschen sind Brüder."

[ocr errors]

Das Lutheran Quarterly der Generalfynode enthielt in seiner Januarnummer 1915 einen Aufsaß aus der Feder eines Rev. D. Frank Garland, D. D., Director of Public Welfare, Dayton, O., betitelt: "The Vital Needs of the Age." Nach einem Hinweis auf die Notstände im sozialen Leben des amerikanischen Volkes Ehescheidungen, Kinderlosigkeit, Trunksucht usw. — wird unsere Zeit als eine bezeichnet, in der "old things are passing away, and the work of reconstruction is going forward", und daran schließt sich der Sah: "Yet we will not falter nor fail in the task which Christ has set us. We will seek the kingdom of God in the world, the kingdom of righteousness, and though it may never come in all its fulness and blessedness for man" (wie stimmt das mit der Schrift?), "we will still seek it, knowing that it is always coming" (also kein Augenblick der Wiederkunft Christi). Dann heißt es noch: "The very life of the Church is at stake in this crisis" - ebenfalls ein ganz klarer Widerspruch gegen die Schriftlehre vom Wesen der Kirche. Schließlich wird die Kirche aufgefordert "to help Christ realize" (!!) "the coming of the kingdom of righteousness in the earth. For He will go on redeeming men and races and nations" (damit ist der Begriff des "redeem" ganz im Sinne der neueren Theologie alteriert), "until 'out of the shadow of the night the world rolls into the light. It is daybreak everywhere.'"

3. Der neueste Chiliasmus gibt nicht nur vor, christlich zu sein, bewegt sich, wie an obigen Beispielen zu sehen, nicht nur in Ausdrücken, die an die Schriftworte vom endlichen Kommen Christi in Herrlichkeit erinnern, sondern behauptet, die eigentliche Lehre JEsu vom „Gottesreich" erst entdeckt zu haben und sie nun in die Praris umsehen zu wollen.) Hauptsächlich sind es JEsu Taten an den Armen, Hungrigen, Kranken, überhaupt seine Wirksamkeit unter dem gemeinen Volk, wie auch seine Reden gegen die Pharifäer, aus denen sich die neue Lehre vom Gottesreich ihren Schriftbeweis holt. Von JEsu heißt es in einem Zirkular des Social Service: „Er hat gesagt: „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist; ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht beherbergt. Die Probleme der Wohnungsverhältnisse und der Preise von Nahrungsmitteln gehen die Kirche an (The problem of housing and of food prices concerns the

1) Zuweilen gesteht man auch kopfschüttelnd, es sei doch merkwürdig, daß die Christenheit so spät den eigentlichen Inhalt der Lehre JEsu und Zweck seiner Sendung erkannt habe!

« PředchozíPokračovat »