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das Jesuitengeseß nicht, wie amerikanisch-katholische Zeitungen irrtümlicherweise berichteten, durch Reichstagsbeschluß aufgehoben, so scheint es doch in seinen Funktionen für die Zeit des Krieges außer Kraft gesezt zu sein. Nach einer Angabe in der Evangelischen Kirchenzeitung" berichtet die „Frankfurter Zeitung" folgendes über das jezige Verfahren in der Behandlung des Ordens: „Alsbald nach der Mobilmachung reichte die [jesuitische] Ordensprovinz von Holland aus an die deutsche Militärverwaltung ein Gesuch um Zulassung zur Militärseelsorge während der Kriegszeit ein. Dieses Anerbieten hat das Oberkommando angenommen in der Erwägung, daß sich vielleicht ein Mangel in der katholischen Militärseelsorge bemerkbar machen könne. Die Zulassung wurde aber selbstverständlich beschränkt auf die Mitglieder des Ordens, die im Besiße der deutschen Staatsangehörigkeit sind. An die Militärbehörde erging dann eine entsprechende Anweisung des preußischen Kriegsministeriums, die auch dem Bundesrat mitgeteilt wurde. Der Bundesrat hat die Mitteilung zur Kenntnis genommen, ohne irgendeine Erörterung daran zu knüpfen. Nach Zentrumsblättern handelt es sich um etwa 100 Ordensmitglieder, die zu geistlichen Verrichtungen im Feld oder in den Lazaretten zugelassen sind. Auch die übrigen katholischen Ordensgenossenschaften nicht nur krankenpflegende haben sich den Militärbehörden zur Verfügung gestellt und Verwendung gefunden." Allerdings hat die Zentrumspartei schon leßten Herbst im Reichstag einen Antrag auf Aufhebung des Jesuitengeseßes eingebracht, den aber die andern Parteien in der Kriegszeit nicht behandeln wollen. Der Frage einer Änderung in diesem Geseß wird man erst nach dem Kriege näher treten.

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G.

Eine Wiederbelebung des Katholizismus soll sich in Frankreich als eine Folge des großen Krieges vorbereiten. Die große Notre Dame-Kathedrale in Paris wird von großen Volksmengen besucht; selbst der große freie Raum vor der Kathedrale ist zuweilen mit einer Menge, die nach Tausenden zählt, bedeckt. Kerzen werden massenhaft allenthalben in den Kirchen als Sühngaben angezündet, und die Zeitungen enthalten im Inseratenteil mancherlei Hinweise auf den Umschwung in der Stellung des Volkes im allgemeinen zur Religion. Unter den Subskriptionen für die Verwundeten im Echo de Paris stand kürzlich zu lesen: „Geschenk des Leutnants A. B., 236, für Gott und Vaterland, Frcs. 500. Gelübde während einer Messe, die ein Priestersoldat zelebrierte, F. 180. Eine Großmutter, damit Gott ihre zwei Enkel beschüße, F. 50. Damit Gott meinen lieben Mann behüte, F. 5. Damit Gott uns erleuchte und rette, F. 10. Klein-Yvonne, damit Unsere Frau der Siege meinen Papa erhalte, F. 10. Für das milde Herz JEsu, F. 5“ usw. In Paris sollen die Apachen, die Mörderbanden, ihre Greueltaten eingestellt haben. Die Apachen sind alle im Krieg und einem der ärgsten, Bruchard, ist es im Schüßengraben so angst geworden, daß er zur Sechs-Uhr-Messe ging; er hatte das der heiligen Jungfrau versprochen, als er unter dem deutschen Feuer war. Das Volk sucht eben solche Götter, wie es sie hat. Vor allem erlebt der Heiligenkultus eine neue Blütezeit. Das bezeugen schon die in vielen Kirchen aufgestellten Standbilder der Jungfrau von Orleans, deren Seligsprechung erst in neuester Zeit gelungen ist. Auch in der Kathedralkirche Unfrer lieben Frau auf der Seine-Insel befindet sich ein solches Standbild, rechts am Chorabschluß, bis jezt nur in Gips ausgeführt. Wie die Zeitungen melden, drängt sich das Volk gerade dort wäh

rend der Kriegszeit in dichten Scharen und beweist, daß selbst das gottlose Frankreich in der Not zu beten versucht.

G.

Die Hugenottenkirche Frankreichs. Zusammen mit der römischen Kirche und dem jüdischen Synagogentum erhielt vor hundert Jahren die Hugenottenkirche Frankreichs staatliche Anerkennung durch die Gesetzgebung Napoleons. Das neunzehnte Jahrhundert war für die französischen Evangelischen eine Periode stillen Wachstums. Eine Veränderung trat ein durch die Trennung der Kirche vom Staate im Jahre 1905, die auch der evangelischen Kirche Frankreichs alle staatliche Unterstüßung, die sie vorher wie andere Gemeinschaften genossen hatte, abschnitt. Sie war nun für ihre Erhaltung auf sich selbst angewiesen. Besonders hart betroffen durch die Aufhebung des Konkordats waren die kleinen, zerstreuten Häuflein von Protestanten in der Cevenne-Gegend, in der Ardeche und der Drome, armen Landgebieten, die zudem unter dem Rückgang der Seidenkultur sehr zu leiden hatten. Besonders um diesen armen Gemeinden zu Hilfe zu kommen, wie auch sonst um den Bestand der Gemeinschaft zu sichern, traten die hugenottischen Kirchen Frankreichs zu einem synodalen Verband zusammen. Eine Union von 450 Gemeinden wurde gegründet, die den Namen „Union Nationale des Eglises Reformees Evangeliques en France" annahm. Durch den Krieg sind diese Gemeinden zum Teil in große Not geraten. Gerade in dem durch die Deutschen zerstörten Gebiet und in dem von deutschen Truppen beseßten Teil Nordfrankreichs sind die zahlreichsten protestantischen Gemeinden und fast alle wohlhabenden. In Reims wohnten 2000 Hugenotten vor dem Kriege, darunter viele begüterte. Von diesen sind 300 in der Stadt zurückgeblieben. Ihre Kirche ist eine Ruine; Gottesdienste werden in den Weinkellern abgehalten. Der Beitrag zur Unterstüßung armer Gemeinden muß ausbleiben. Durch ähnliche Verhältnisse in andern Hauptstüßpunkten des französischen Protestantismus ist es nötig geworden, die protestantischen Schulen und höheren Anstalten zu schließen, Pastorengehälter zu reduzieren und sonst alle Ausgaben auf ein Minimum einzuschränken. Troßdem sieht die Union einem Defizit von $120,000 für das Jahr 1915 entgegen. Denkwürdig ist der Umstand, daß die protestantischen Truppenteile der französischen Armee mit dem Liede „Ein' feste Burg“ an die Front gezogen sind! G.

Japans öffentliche Moral. Das Lasterleben in den Großstädten Japans ist sprichwörtlich. Wohl in keiner Großstadt der Erde wird der Unzucht in solch uneingeschränktem Maße gefrönt wie in der Hauptstadt und den Hafenstädten Japans. Daß sich der Dienst fleischlicher Lust aber auch in den Landdistrikten in erschreckender Weise bemerkbar macht, ist das Zeugnis des englischen Missionars H. H. Cook. Er schreibt über die Zustände in den Landdistrikten der Statthalterschaften Yamagata und Akita: „In den ländlichen Bezirken der Statthalterschaft Yamagata ist kaum eine Familie zu finden, die nicht einen Sohn oder eine Tochter, und vielleicht sollte ich noch hinzufügen, oder einen Vater von losen Sitten hat. Die jungen Männer geraten zu Hunderttausenden in die Fallstricke des Versuchers und verursachen eine Unfumme von Weh und Pein, die alles, was wir uns einbilden können, weit übertrifft. Wenn man versucht, die Gründe für die Verderbtheit des Landlebens anzuführen, so kann man viele Mittelursachen nennen, wie das unsittliche Vorbild der Priester und Beamten, das Fehlen unschuldiger Unterhaltung, die in manchen Teilen herrschende Gewohnheit, daß die Eltern

ihren Söhnen jedes Jahr eine besondere Geldsumme geben, die für unsittliche Zwecke bestimmt ist, und viele andere. Doch es scheint mir, sie können alle auf die eine Hauptursache zurückgeführt werden, nämlich daß ihnen das Gefühl der Heiligkeit ganz abgeht. Man gehe zu irgendeinem Tempel oder Schrein zu der Zeit seines jährlichen oder halbjährlichen Festes und achte auf das, was vorgeht. Es ist nicht nötig zu bemerken, daß die Männer, welche durch die Laster des Volks reich geworden sind, die größten Beträge zu dem Gedeihen der Schreine liefern, auch nicht, die Männer zu zählen, die abends berauscht heimgehen. Die ganze Feier, soweit der Gottesdienst in Betracht kommt, ist eine Täuschung und ein Schaugepränge. Für die Priester ist es eine Veranstaltung, um Geld zu machen, und für neun Zehntel der Besucher nichts als ein Picknick, eine Gelegenheit, sich zu vergnügen. Der Gedanke der Heiligkeit im christlichen Sinn des Wortes fehlt gänzlich. Die Religion ist eine bloße Form geworden. Neben diesem Mangel an Heiligkeit ist ein Aberglaube der gefährlichsten Art zu bemerken, der fast überall überhandnimmt. Wenn zum Beispiel eine Person von einer ansteckenden Krankheit ergriffen wird, so versucht sie sofort, diese auf eine andere zu übertragen, weil sie glaubt, daß sie geheilt wird, wenn sie jemand anders ansteckt. So kam es unlängst in Akumi County vor, daß ein einziger Tophusfieberkranker mehr als sechzig andere ansteckte. Er reiste von Mount Chokai bis nach Sakata und verbreitete absichtlich die Krankheitskeime auf dem ganzen Weg. Das japanische Volk hat nichts nötiger als die Predigt, daß es einen gerechten und heiligen Gott gibt, der über die, so ihn hassen, die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied, aber denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, wohltut in tausend Glied. Dieser Mangel an Heiligkeit enthüllt sich nicht bloß in ihrem religiösen Leben, sondern in fast allen Angelegenheiten des täglichen Lebens. Schöne junge Frauen werden von ihren Eltern oder Verwandten für irgendeinen Preis (zwischen 60 und 250 Dollars) verkauft. Kinder werden gegen Zahlung von 15 bis 25 Dollars weggegeben, damit sie von völlig fremden Leuten erzogen werden, und das Ergebnis ist oft, daß das Kind den Hungertod stirbt. Außerdem trägt die Leibeigenschaft der Arbeiter, die Sklaverei der Frauen, die Sucht, schnell reich zu werden, und die Verachtung der Beherrschten seitens der Herrscher dazu bei, das Volk elend und unglücklich zu machen. Die väterliche japanische Regierung kennt diese Verhältnisse recht gut und bemüht sich ernstlich, sie zu ändern. Jeder, der die vielen im ganzen Lande im Interesse der Gesundheit abgehaltenen Versammlungen besucht, kann nicht umhin zu sehen, welch schreckliche Ergebnisse einem unmäßigen und unsittlichen Lebenswandel folgen.“ Cook faßt schließlich seine Beobachtungen über die Zustände in den Landprovinzen Japans in den Sah zusammen: „Die Zustände sind tatsächlich dieselben wie die des römischen Volks zur Zeit des Paulus, ausgenommen, daß ihnen die vorläufige Vorbereitung fehlt, die die Römer vermittelst der Ausbreitung der Juden durch das ganze römische Reich erhielten." Japans größtes Unglück ist, daß es die Zivilisation des Westens adoptierte, ohne den Kern dieser Zivilisation, das Christentum, erfaßt zu haben. Es fehlt das Salz, das in Europa und Amerika der Fäulnis entgegenwirkt.

G.

Lehre und Wehre.

Jahrgang 61.

Oktober 1915.

Rr. 10.

Die Studenten der Theologie als gute Textuales.

(Rede bei der Eröffnung des Studienjahres 1915, gehalten von F. Pieper.)

Sie sind Studenten der Theologie. Die einen von Ihnen beginnen dies Studium, die andern sehen es fort. Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf ein Wort Luthers über die rechte Weise, wie die theologische Tüchtigkeit angeeignet wird. Ich meine heute aber nicht das bekannte klassische Diktum Luthers: Oratio, meditatio, tentatio faciunt theologum. An dies Diktum werden Sie fortgehend in den theologischen Vorlesungen erinnert. Ich lenke heute Ihre Aufmerksamkeit auf ein Wort Luthers, das zunächst auf den äußeren Modus des theologischen Studiums Bezug hat.

An Luthers Tisch wurde im Verlauf des Tischgesprächs von einem Wittenberger Studenten der Rechte berichtet, daß er seine Institutiones juris sich wörtlich eingeprägt habe. Luther lobte diese Methode mit der Begründung: „Wer im Tert wohl gestaffiert ist, so daß er ein guter textualis wird, der hat, darauf er gewiß fußen und gründen kann.“1) Dies wandte dann Luther auf das Studium der Theologie an. Ein Theolog müsse noch mehr als ein Jurist ein guter textualis sein, das heißt, den Tert der Schrift, ipsissima Scripturae verba, wohl kennen und innehaben. über die praktische Wichtigkeit dieser Methode fügte Luther hinzu: „Ich habe mit dem Tert und aus dem Fundament der Heiligen Schrift alle meine Widersacher übertäubet und erlegt. . . . Summa, wer im Tert der Schrift wohl gegründet und geübet ist, der wird ein guter und fürtrefflicher Theologus, sintemal ein Spruch und Tert aus der Bibel mehr gilt denn viel Skribenten und Glossen."

So wollen auch Sie als studiosi sacrosanctae theologiae nicht versäumen, gute textuales zu werden, und zu dem Zweck bei Ihrem Studium auch möglichst viele Terte der Schrift wörtlich Ihrem Ge

1) E. A. 57, 7; St. 2. XXII, 6.

dächtnis einprägen, so daß, wo Sie gehen und stehen auch wenn Sie Ihre Bibel nicht bei sich haben, alle Ihre Gedanken über Gott und göttliche Dinge im Wort der Schrift einhergehen und aus dem Wort der Schrift hervorquellen.

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Jawohl, der Text der Schrift tut's, der Text allein und nichts außer und neben dem Text. So ist's Gottes Ordnung. Auf den Tert der Schrift weist uns Christus, wenn er spricht: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede (¿v tập hóyợ tậ suộ), . . . so werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.“ 2) Ebenso der Apostel Christi, wenn er schreibt: So jemand nicht bleibet bei den gesunden (vyraivovtes) Worten unsers HErrn JEsu Christi, der ist verdüstert und weiß nichts (under Érioráμevos)."3) Das unverrückliche Bleiben am Tert der Schrift ist das Charakteristikum der rechtgläubigen Kirche, der Kirche der Reformation. Es ist das Charakteristikum, wodurch sich die rechtgläubige Kirche sowohl vom Papsttum als von den Sekten unterscheidet. Die Papstsekte steht nicht auf dem Tert der Schrift, sondern auf der Auslegung des Papstes. Jm Tridentinum wird das Stehen auf der Schrift ohne die Auslegung der sancta mater ecclesia für ein strafwürdiges Vergehen erklärt.4) Die reformierten Sekten, insofern sie zu der Kirche der Reformation in Gegensatz treten, stehen nicht auf dem Text der Schrift, sondern auf Zwinglis und Calvins Deutung des Tertes. Es ist gewiß wahr: Alles Elend der Kirche, insonderheit alle Zertrennung der Kirche, kommt daher, daß man den Tert der Schrift fahren läßt und sich auf menschliche Deutung des Tertes begibt. In unserer Zeit tut man dies in der Weise, daß man die sogenannte historische“ oder auch „eregetische" Auffassung der Schrift urgiert. Aber historisch ist nur die Auffassung der Schrift, welche das Wort der Propheten und Apostel als unwandelbare Quelle und Norm der christlichen Lehre und des christlichen Lebens bis an den Jüngsten Tag gelten läßt. Und exegetisch ist nur die Auffassung der Schrift, welche beim Schriftwort bleibt und auch nicht um eine Linie über das Schriftwort hinausführt. So fassen wir im Einklang mit der Schrift selbst und im Einklang mit der Kirche der Reformation die Eregese auf. Auch wir treiben sehr ernstlich Eregese, aber nicht in dem Sinn, daß wir den Tert der Schrift fahren lassen, sondern in dem entgegengeseßten Sinn, daß wir den flüchtigen Menschengeist auf den Tert der Schrift hinführen, ihn auf das klare Schriftwort gründen und bei dem klaren Schriftwort wider alle menschlichen Verkehrungen festhalten.

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Und was ist die Frucht und Folge dieses unverrücklichen Festhaltens an dem Tert der Schrift? So bleibt erstlich Christo die Alleinherrschaft in seiner Kirche, wie es sich gehört, nach Christi ausdrücklicher Ordnung: „Einer ist euer Meister, Christus; ihr aber

2) Joh. 8, 31. 32.

3) 1 Tim. 6, 3. 4.

4) Smets, S. 15.

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