Obrázky stránek
PDF
ePub

flachen Scheibe, und endlich droben das Himmelsgewölbe wie eine große Glocke, an der die Sterne befestigt sind. Diese ganze dreistöckige Welt sieht die Bibel und die ganze Antike beseelt von einem Heer guter und böser Geister: der Herr der Tiefe, Satanas, mit den Geistern der Finsternis; in den Himmelsgewölben thronend Gott mit den Legionen der Engel des Lichtes; die Erde der Kampfplak zwischen diesen beiden Gewalten, da der Messias durch sein Wirken das Reich der Dämonen zu vernichten und Gottes Reich heraufzuführen gekommen ist. So ist in seiner Entstehung der christliche Glaube eng verbunden mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild der Antike."

Auch bei andern Apologeten spielt dies antike Weltbild eine hervorragende Rolle, besonders auch bei der Schöpfungsgeschichte der Bibel. So verlangt Bachmann sogar von dem Religionslehrer, daß er bei der Erklärung von Genesis 1 ein solches dreistöckiges Weltgebäude, die auf dem Okeanos wie ein Schinkenteller schwimmende Erde mit einem als feste Kugelschale dargestellten Himmel darüber, an die Tafel zeichnen und seinen Schülern sagen soll, das sei die Anschauung des Schöpfungsberichtes wie auch der gesamten Bibel. Freilich wird der unbefangene Leser der Bibel sich erstaunt fragen, wo denn in Genesis 1 etwas Derartiges stehe; er wird daran denken, daß die Bibel niemals Gott nur in den Himmel bannt; er wird an Pf. 139, 8 denken, daß Gott auch in der Hölle sei, oder an Pf. 135, 6 oder 148, 7 usw. Er wird sich erinnern, daß Paulus Eph. 6, 12 von den bösen Geistern unter dem Himmel redet, daß JEsus das Reich der Finsternis Matth. 6, 23 nicht unter der Erde sucht, sondern auf der Erde, und zwar in den Herzen der Menschen. Er wird sich fragen: Woher haben denn jene Herren ihr Weltbild genommen? In der Bibel wird es doch nirgends gelehrt. Sollte es vielleicht auf der bildlichen Darstellung Michelangelos entdeckt sein? Vielleicht berufen sich die Herren Apologeten aber auf populär-wissenschaftliche Bücher, worin auch von solchem antiken Weltbild bisweilen geredet wird. Da wird dann eine gänzlich verzeichnete Karte Homers, die meines Wissens von Niebuhr stammt, reproduziert, aber ein „chaldäisches“ Weltbild dargestellt, wie es sich in der Phantasie eines mittelalterlichen Talmudjuden ausgebildet hat. Aber die wirkliche Antike ist doch nicht für solche Dinge verantwortlich zu machen. Wenn jedoch die Bibel in der Tat mit solchem Weltbild „eng verknüpft“ wäre, so würde meines Erachtens die Meinung eine gewisse Berech tigung haben, daß ein mit solchen Albernheiten verknüpftes Buch dem modernen Menschen nicht allzuviel zu sagen habe, und die Bestrebungen gewisser Kreise, das Wesen des Christentums" unabhängig von der Bibel zu erfassen, wären vollauf gerechtfertigt.

"

Demgegenüber muß nun aber festgestellt werden, daß weder die Bibel noch auch die Antike ein solches dreistödiges Weltbild gehabt hat. Wir brauchen uns bei der Herstellung des antiken Weltbildes gar nicht an mittelalterliche Quellen zu halten, sondern können die Anschauungen

der Alten über das gesamte Weltbild zu den verschiedenen Zeiten sehr wohl verfolgen, wenn wir uns nicht bei den Dichtern, sondern bei wissenschaftlichen Schriftstellern Rat suchen. Freilich sind wir bei dem Verlust der wichtigsten Schriften der klassisch-griechischen Naturforschung darauf angewiesen, aus Fragmenten und späten Zitaten die Anschauung der alten Schriftsteller zu rekonstruieren. Immerhin genügen diese, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß zu keiner Zeit der griechischen Kultur ein solches Weltbild, wie es oben von Herrn Hein gezeichnet ist, bestanden hat.

Schon der älteste griechische Philosoph, von dem wir wissen, daß er schriftstellerisch tätig war, Thales von Milet (620 a. Chr.) hat die Kugelgestalt der Erde gelehrt. Freilich stellt er die Erde in den Mittelpunkt der Welt, um welche Sonne, Mond und Sterne kreisen, aber er lehrt doch von diesen Himmelskörpern, daß sie wie die Erde runde. Körper seien, die feurig, das heißt, selbstleuchtend, seien. Von Thales rührt auch schon die Einteilung der Kugeloberfläche der Erde in fünf Zonen her, und die Sterne ordnete er je nach ihrer Sichtbarkeit in diesen fünf Zonen ein. Die gleichen Anschauungen werden uns auch von Parmenides, der darum als ein Schüler des Thales bezeichnet wird, berichtet; aber er geht noch weiter, indem er ausdrücklich sagt, die Sterne seien feurige Dunstmassen, und den Himmel sieht er nicht als ein festes Gewölbe an, sondern als das am weitesten von der Erde Entfernte. Die gleiche Anschauung finden wir auch bei Anagimenes und Empedokles, die ebenfalls als Schüler des Thales bezeichnet werden. Anarimenes förderte diese Erkenntnis des Weltbildes aber noch wesentlich durch die Entdeckung, daß der Mond kein selbstleuchtender Körper sei, sondern sein Licht von der Sonne empfange. Diese Entdeckung seşte ihn in den Stand, die Mondfinsternis richtig zu erklären, eine Entdeckung, die von Stobaos bereits Thales zugeschrieben wird. Beide haben auch schon den Durchmesser der Sonne gleich 1/20 der Sonnenbahn gemessen und haben die Schiefe der Ekliptik gekannt.

Es ist nun interessant, daß diese Jonier auf Grund ihrer Erkenntnis sich auch die Frage nach der Entstehung der Welt zu beantworten fuchten. Von Anarimenes ist uns eine solche Kosmogonie überliefert. Im Anfang war der ganze Weltenraum mit Luft gefüllt, aber durch Verdichtung dieser Materie entstand zunächst Nebel. Durch weitere Abfühlung wurde der Nebel flüssig und endlich fest; so bildete sich die Erde. Diese aber verdampfte, und dieser Dampf war leichter als Luft, er stieg über die Atmosphäre, und so bildeten sich die feurigen Himmelskörper. Wir haben hier also eine ganz ähnliche Vorstellung, wie wir fie bei Kants Theorie der Entstehung der Saturnringe wiederfinden. Die Himmelskörper sind also von der gleichen Substanz wie die Erde, aber da das Leichtere eben Feuer ist, so sind sie selbstleuchtend. Jedoch würde man einwenden können: Wenn die Sterne solche feurige Massen find, warum erwärmen sie denn nicht die Erde in gleicher Weise wie

[ocr errors]

die Sonne? Anarimenes weiß die richtige Antwort zu geben: „Wegen der großen Entfernung der Sterne." Er hat also nicht nur über Wärmenstrahlung Erfahrung gesammelt, sondern er weiß auch, daß die Himmelskörper sehr verschiedene Distanzen von der Erde besißen, speziell, daß die Sonne sich von den Sternen eben nur durch diese Distanzen unterscheidet.

Mit diesem Befund scheint nun freilich eine Notiz, die sich zweimal bei Aristoteles findet, nicht zu stimmen, daß nämlich Thales sich die Erde als auf dem Wasser schwimmend gedacht habe. Allein Aristoteles hat dabei keine Schrift des Thales vor Augen gehabt; er sagt ausdrücklich, daß er nur nach überlieferung (öv paow sixɛīv) berichte. Es ist darum sehr leicht möglich, wie man solche Verwechslungen mehrfach bei solchen Zitaten des Aristoteles nachweisen kann, daß Thales hier gar nicht von Schwimmen (xɛiodai) gesprochen, sondern daß er von einer Entstehung aus dem Wasser geredet hat. Das würde nämlich zu seiner Gesamtanschauung von der Entstehung aller Dinge aus dem Wasser sehr gut passen, während sonst zwischen den oben angeführten Zitaten und diesem Ausspruch des Aristoteles ein unüberbrückbarer Widerspruch klafft. Aber auch mit sich selbst kommt Aristoteles in Konflikt, wenigstens wenn man jenen Ausspruch so verstehen wollte, daß damit gemeint sei, die Erde sei eine flache Scheibe, die auf dem Okeanos schwimme. Denn wenige Seiten nach diesem Zitat gibt er an, daß die Mathematiker“ den Umfang der Erdkugel zu 400,000 Stadien berechnet hätten. Wen er mit diesen Mathematikern gemeint habe, kann nicht zweifelhaft sein, da wir wissen, daß Anarimander sich mit solchen Problemen beschäftigt hat. Er ist der erste, welcher versuchte, auch die Entfernungen der Sonne und des Mondes von der Erde zu berechnen. Freilich sind seine Worte verkehrt; er gibt an, sie verhielten sich wie 27 zu 19; aber es kommt für uns ja nur auf die Vorstellung an, und sie ist bei Anaximander ganz richtig.

Einen weiteren, erheblichen Fortschritt finden wir bei Anayagoras. Er lehnt die Verdampfungstheorie des Anarimenes ab und läßt die Himmelskörper aus dem Urstoff durch die Zentrifugalkraft entstehen. Er denkt sich also den Urstoff und die Himmelskörper in Rotation; diese aber sei, sagt er, mit der Rotation irgendeines irdischen Dinges nicht vergleichbar, da sie um viele Male größer sei. Diese Rotation der Körper ist bei ihm auch die Ursache, daß Mond und Sterne nicht auf die Erde fallen. Er sezt also voraus, daß die Schwere auch bei diesen Himmelskörpern wirksam sei. Vermutlich hat Anaxagoras also gemeint, daß die Himmelskörper gleich als fertige Kugeln von dem Urstoff abgeschleudert seien und nicht, wie Laplace meint, als Ringe, die dann zerreißen. Und diese Vorstellung des Anaragoras ist viel mehr mit dem Resultat des Plateauschen Experiments vereinbar als die des Laplace; denn die Ringabsonderung erfolgt nur, wenn die Rotation plößlich gemindert wird, während die Abschleuderung von Kugeln nur

Dichtigkeitsunterschiede in der rotierenden Materie verlangt, welche von allen Kosmogonien vorausgesetzt werden. Auch die Phasen des Mondes hat Anaxagoras richtig erklärt, und seine Anschauung über die Milchstraße, daß sie aus einzelnen Sternenhaufen bestehe, ist den modernen Vorstellungen entsprechend.

Aber nicht nur die ionischen Philosophen haben dieses Weltbild gehabt, dem von der modernen Vorstellung eigentlich nur fehlt, daß die Sonne in den Mittelpunkt des Planetensystems gestellt wird, sondern auch die Pythagoreer haben seit der Gründung dieses Bundes durch Pythagoras die Himmelskörper als Kugeln betrachtet. Ein Vertreter dieses Bundes wird uns besonders genannt für die Erklärung der Jahreszeiten aus der Schiefe der Ekliptik. Es ist Dinopides, dessen genaue astronomische Messungen auch die wirkliche Jahreslänge recht gut ergeben, nämlich zu 365+"/50 Tagen. Dabei machte er auf den Unterschied von Sterntag und Sonnentag aufmerksam, so daß man annehmen muß, er habe sehr weitgehende Kenntnisse von dem Kosmos gehabt. Gewöhnlich wird der Pythagoreischen Schule die Ansicht, daß die Erde und die Himmelskörper um das Zentralfeuer rotierten, zugeschrieben; allein diese Ansicht wird nur von Philolaos vertreten, während ein anderer Pythagoreer, Hiketas, diese Verirrung bereits wieder beseitigte und statt dessen die Erde um ihre Achse rotieren ließ, um damit die Entstehung von Tag und Nacht zu erklären. Wir haben also um 400 vor Christo bei den Griechen ein Weltbild, welches sich nur durch die zentrale Stellung der Erde von dem kopernikanischen unterscheidet.

Man könnte einwenden, alles dies sei nur Eigentum einiger weniger Philosophen gewesen, habe aber das Volk gar nicht berührt, und darum könne das Volk sehr wohl jenes „antike Weltbild“ besessen haben. Allein man beachtet dabei nicht, daß jene Philosophen durchaus nicht erklusiv für sich arbeiteten. Von Anaxagoras wissen wir, daß er mehr als dreißig Jahre hindurch einer der gefeiertsten Lehrer Athens war, und seine Schule war durchaus nicht nur von solchen Jünglingen besucht, die sich zu Philosophen, resp. Lehrern, ausbilden, sondern von jungen Männern der wohlhabenderen Kreise, die irgendwie im Staate eine Rolle spielen wollten. So gehörten zu Anaxagoras' Schule Perifles, Thukydides, Euripides und andere. Wenn auch der Schulzwang nicht vorhanden war, so hatten doch weitere Kreise des Bürgertums ein Interesse daran, den Jünglingen eine gute Bildung zu verschaffen. So erklärt sich, daß Platon von allen jenen Dingen als von ganz allgemein bekannten Anschauungen redet. So erwähnt Platon im „Symposion“ die Kugelgestalt der Erde, der Sonne, des Mondes als ganz allbekannte Tatsachen, die zum mindesten alle vornehmen Jünglinge kannten. Aber auch an dem ganzen Volke konnten diese Erkenntnisse nicht spurlos vorübergehen. Ich erwähnte schon die astronomischen Leistungen des Dinopides. Bedenken wir, daß um jene Zeit der Pythagoreerbund in Unteritalien gesprengt wurde, und viele seiner Mitglieder nun ge

zwungen waren, sich als Wanderlehrer ihr täglich Brot zu verdienen, so begreifen wir, daß mit dem Ausgang des 5. Jahrhunderts vor Christo die Pythagoreischen Lehren in ganz Griechenland bekannt wurden. Bedenken wir ferner, daß um dieselbe Zeit der Metonsche Zirkel von neunzehn Jahren offiziell in dem griechischen Kalender eingeführt wurde (433), so müssen wir schließen, daß auch der gemeine Mann durch die veränderte Lage der Götterfeste auf die neuen Erkenntnisse aufmerksam wurde. Und wie sehr das Volk an den Lehren der Philosophen Anteil nahm, wissen wir doch aus dem tragischen Geschick des Sokrates.

"

Von großem Interesse ist es nun, die fortschreitende Erkenntnis bei einem Manne wie Platon zu verfolgen. Zunächst stellt Platon im Phaidon" das Problem, wie es philosophisch zu behandeln ist, richtig ein. Er sagt, es genüge nicht, zu sagen, die Erde sei eine Scheibe oder eine Kugel, sondern man müsse nachweisen, warum sie so sei und nicht anders, man müsse zwischen den scheinbaren Bewegungen der Himmelskörper nach einem Zusammenhang suchen. Im „Staat“ redet er von der kugelförmigen Erde im Mittelpunkt der Welt. Unter Berufung auf Anaxagoras folgt im „Kratylos“ die Bemerkung, daß der Mond kein Eigenlicht habe, sondern sein Licht von der Sonne empfange und reflektiere. Im „Timaios“ macht Platon dann die wichtige Unterscheidung zwischen den scheinbaren Bewegungen und den wirklichen Verhältnissen und verschiebt die Untersuchung der wirklichen Verhältnisse auf spätere Zeit. Aber die scheinbaren Verhältnisse zwingen schon dazu, den Firsternhimmel, wo die Körper stets an derselben Stelle bleiben, von den andern“, die ihre Lage verändern, zu unterscheiden. Darum ist die um feststehende Achse rotierende Bewegung zu unterscheiden von der fortschreitenden; die erstere haben die Figsterne und die Erde allein, während die zweite auch bei den Planeten gefunden wird. Da die Erde auch die rotierende Bewegung hat, wird sie zur Hüterin von Tag und Nacht. Daß darin die Achsendrehung der Erde, also der Stillstand der Himmelskörper, unzweideutig gelehrt sei, ist von dem ge= samten Altertum anerkannt. über die Planeten sagt Platon hier nicht viel, aber es scheint daraus hervorzugehen, daß er angenommen habe, Merkur und Venus kreisen um die Sonne. Diese später als Tychonisches System bezeichnete Annahme gibt eine nahezu zutreffende Vorstellung der scheinbaren Bewegungen. Daß Platon aber dergleichen gelehrt habe, darf man wohl als zuverlässig ansehen, da bei seinem Schüler Herakleides Pontikus diese Theorie ausführlich zur Erklärung der Rückläufe der unteren Planeten, Merkur und Venus, herangezogen wird.

Platon ist die im Timaios" für später" versprochene Auseinandersetzung über die wirklichen Verhältnisse nicht schuldig geblieben. Durch das schon zitierte Zeugnis des Plutarch wissen wir, daß Platon im Alter bereute, der Erde eine so wichtige Stellung im Zentrum der

« PředchozíPokračovat »