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Welt angewiesen zu haben; diese gebühre vielmehr einem besseren Gestirn". Plutarch sagt nicht, welches Gestirn er gemeint habe. Dafür das Zentralfeuer des Philolaos einzusehen, wie Zeller will, ist schon um deswillen unmöglich, weil bereits Hiketas dies als unhaltbar nachgewiesen hatte; aber es ist auch darum unmöglich, weil das Zentralfeuer in den Werken Platons niemals vorkommt, ebensowenig wie bei einem seiner Schüler. Wir sind vielmehr aus Platons Schriften selbst imstande, das „bessere" Gestirn nachzuweisen. Sein lehtes Werk sind bekanntlich die Gefeße", welche wahrscheinlich nach seinem Tode veröffentlicht wurden. Da sagt er, er wolle nun etwas ganz Neues sagen, was die Athener wohl kaum gleich verstehen würden. Sie irrten sich nämlich sehr in bezug auf die wandelnden Sterne; sie bewegten sich in festen Kreisbahnen, und es sei der scheinbar langsamste Körper der schnellste, und umgekehrt, das heißt, der Saturn bewege sich schneller als der Mond im Weltenraum. Nach einer längeren Zwischenbemerkung kommt er dann nochmals auf dies Thema und sagt: „Die Himmelskörper verdanken ihre Entstehung der Bewegung“ (s. oben bei Anaxagoras); die Ursache der Bewegung aber sei unsichtbar, „darum nennen wir sie Seele. So wird die Welt bewegt durch die Weltseele. Deren Sit aber ist die Sonne“; und wenn die Seele die Sonne um ihre Achse bewege, so führe sie damit alles (alle Bewegung) aus. Wenn Platon hier von der Seele redet, so meint er damit dasselbe, was Kepler mit seiner Anima in den ,,Harmonices mundi" meint, nämlich eine unsichtbare Kraft als Ursache der Bewegung. Daß Platon diesen Abschnitt aber mit einem reichen mystischen Flitter umgibt, obwohl er vorher sehr gegen die mystische Götterlehre geeifert hat, ist wohl verständlich, weil ihm das Ende des Sokrates lebhaft vor Augen stand, und er sehr wohl wußte, daß man ihm geradesogut einen Prozeß wegen Jrreligiosität anhängen konnte, wie es noch hundert Jahre später möglich war. Im mündlichen Unterricht wird Platon diese Anschauung offener ausgesprochen haben, das dürfen wir annehmen, weil sein Schüler Herakleides das heliozentrische System als eine mögliche Hypothese zur Erklärung der Planetenbahnen offen ausspricht, wenn er sagt, man könne sich die Sache auch so vorstellen, „daß die Sonne stille stehe, und die Erde sich auf eine gewisse Art um dieselbe drehe“. Hier erscheint das heliozentrische System also unverhüllt als Hypothese. Als völlig ausgearbeitete Theorie finden wir dasselbe aber bei Aristarch.

Das Originalwerk Aristarchs ist uns leider verloren; aber Archimedes sagt ausdrücklich, daß Aristarch mit dem heliozentrischen System die scheinbare Bewegung der Gestirne erklärt habe. Da wir von Aristarch ferner wissen, daß er ein messender und rechnender Astronom war nach modernen Begriffen rührt doch von ihm die noch heute gebrauchte Methode der Bestimmung des Sonnenabstandes nach Monddistanzen her, so ist sicher, daß diese Erklärung", von der Archimedes redet, nicht eine vage Spekulation war, sondern eine auf be

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rechneter Beobachtung ruhende Theorie. Es war natürlich, daß diese Theorie nun auch weitere Anwendung gestattete, und diese finden wir bei Seleucos, der um 200 v. Chr. lebte; er stellte. sich nicht nur auf den Boden der Aristarchschen Theorie, sondern erklärte mit den dadurch gegebenen Stellungen der Sonne und des Mondes zur Erde zum erstenmal die Unregelmäßigkeiten von Ebbe und Flut, speziell die sogenannten Springfluten. Es ist also um 200 v. Chr. ein Weltbild in GriechenLand vorhanden, welches dem modernen durchaus entspricht. Die Firsterne, darunter die Sonne, stehen fest, die Planeten bewegen sich um die Sonne, der Mond um die Erde und begleitet sie auf ihrer Bahn um die Sonne.

Man wird nun einwenden, daß die Entdeckung des heliozentrischen Systems doch wohl selbst in Astronomenkreisen unwirksam geblieben sei, da Hipparch und 300 Jahre nach ihm Ptolemaios doch das geozentrische System mit der Epizyklentheorie vertreten und zur allgemeinen Annahme gebracht hätten. Allein, dem ist entgegenzuhalten, daß Hipparch durchaus nicht eine Theorie der Wirklichkeit geben wollte, sondern nur nach einer mathematischen Methode suchte, um die scheinbaren Stellungen der Planeten und der Sonne zu berechnen, eingedenk der Worte Platons, daß es nicht Aufgabe des Astronomen sei, die wirklichen Bewegungen festzustellen, sondern vielmehr eine mathematische Theorie zu schaffen, welche die scheinbaren Zustände erkläre. Nach dem Stande der mathematischen Wissenschaft aber war es ihm sehr viel bequemer, diese Rechnung mit Epizyklen durchzuführen als auf Grund der heliozentrischen Koordinaten. So war der Mangel an hinreichender Weiterbildung der Mathematik die wesentliche Ursache, daß man in einer späteren Zeit die mathematische Berechnung Hipparchs und die große Zusammenfassung" des Ptolemaios als Grundlage für das Weltbild nahm und die durch die übereinstimmung mit den scheinbaren Bewegungen so bequeme geozentrische Vorstellung als eine Darstellung der Wirklichkeit ansah. Das hat sich aber erst unter dem kulturfeindlichen Einfluß der Römer vollzogen, während in der griechischen Welt die Vorstellungen des Aristarch und Seleucos noch zur Zeit des Augustus allgemein bekannt waren.

Ich sage allgemein und meine damit weit über den Kreis der Astronomen hinaus alle, die sich über die gewöhnliche Schulbildung erheben wollten. Es wäre eine gänzlich verfehlte Vorstellung von dem Zustand der griechischen Kultur, wenn man sich die Kenntnis dieser Dinge auf einen kleinen Kreis von Gelehrten beschränkt denken wollte. Ich habe schon auf die Schule des Anaragoras aufmerksam gemacht, ebenso auf die von Platon als selbstverständlich vorausgeseßten Kenntnisse der gebildeten athenischen Jugend. Die Teilnahme aller Gebildeten an den Erlebnissen der Forschung hat aber nach Platon noch erheblich zugenommen. So war die kleine Geographie“ des Eratosthenes, eines Zeitgenossen des Archimedes, speziell für Schulen ge

schrieben. Eratosthenes aber war es, dessen Gradmessung durch das ganze Altertum berühmt war, der in seiner Geographie die Orte der Erde nach Länge und Breite darstellte, der also die Kugelgestalt der Erde auch als ganz selbstverständlich ansah. Seine Geographiedarstellung sezt die Kenntnis des Globus immer voraus, was auch ganz begreiflich ist, da nach Diogenes Laertios schon Anaximander einen Globus konstruiert haben soll. Archimedes sagt ausdrücklich, daß allgemein die Erde als Kugel vorgestellt werde, und von ihm stammt die Aufhängung des Globus in dem später cardanisch genannten Gehänge. Eudorus konstruierte ebenso Himmelsgloben und fezte die Erde in den Mittelpunkt dieser Hohlkugel. Die Griechen verfügten also bereits über die Anschauungsmittel, deren wir uns noch heute bedienen.

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Im ersten Jahrhundert vor Christo finden wir mehrere populäre Schriftsteller, welche die geographischen Kenntnisse weitesten Kreisen zugänglich machten. Das berühmte Werk des Poseidonios über die Himmelserscheinungen wandte sich an das gebildete Publikum, und Strabo erklärt ganz ausdrücklich, daß sein großes geographisches Werk nicht für Gelehrte geschrieben sei, sondern für alle, welche die gewöhnliche Schulbildung hätten. In diesem Buche wird aber nicht nur die Erde als Kugel betrachtet, sondern auch jener Aristarchschen Theorie mehrfach Erwähnung getan. Er gibt für die Erde als ganz selbstverständlich an, daß der Atlantische Ozean und der Indische zusammenhängen. Grund, daß man auf diesem Wege nicht nach Indien fahre, sei nur der, daß der Weg um die Erde zu weit sei. Es ist ja auch kein Wunder, daß er von der Erdkugel eine ganz richtige Vorstellung hat, da er des Eratosthenes und des Poseidonios Gradmessungen sehr genau fannte. Es ist darum ganz selbstverständlich, daß er die Lage der Städte nach Länge und Breite angibt und ausdrücklich fordert, daß man die Breite durch Stern-, resp. Sonnenbeobachtung festlege. Schon vor ihm war die Methode der Längenbestimmung durch Zeitunterschiedsmessung bekannt gewesen und wurde in der Gewerbeschule des Heron von Alexandrien um 100 v. Chr. gelehrt. Da Geographie ein allgemein in den Schulen besonders eifrig betriebenes Lehrfach war, so darf man annehmen, daß zur Zeit des Augustus kein auch nur annähernd gebildeter Grieche gelebt hat, der die Erde und die Himmelsförper nicht als Kugeln betrachtet hätte.

Ja, man hatte schon lange angefangen, die Beweise für die Kugelgestalt zu sammeln, und schon frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, daß die erste Beobachtung für die Kugelgestalt schon bei Homer vortomme, daß dem Seefahrer nämlich zunächst die Spißen der Berge erschienen, ehe die ganze Küste emporsteige. Strabo sagt von dieser Beobachtung, daß durch sie auch dem Nichtgebildeten die Kugelgestalt der Erde begreiflich werde. Aristoteles leitet die Kugelgestalt theoretisch aus der Schwerkraft ab und fügt als Beobachtungsbeweise erstens die freisförmige Gestalt des Schattens bei Verfinsterungen und zweitens

die Veränderung in der Zahl der sichtbaren Sterne bei einer Ortsberänderung auf dem Meridian an. Ja, die Erdkugel sei nicht einmal sehr groß, denn eine Reise von Athen nach Zypern genüge, um schon eine große Veränderung der sichtbaren Sterne zu bieten. Schon vor Aristoteles hatten einige (er nennt nicht die Namen) behauptet, Indien und Afrika wären nur durch ein Meer getrennt, da in beiden Ländern gleiche Tiere, z. B. Elefanten, lebten. Diese Begründung weist Aristoteles ab, da dann eine Landbrücke bestehen müsse; aber die Tatsache, daß ein Meer die beiden Länder trenne, gibt er zu; nur sei der Wasserweg sehr lang. Diesen Beweisen fügt Kleomedes hinzu, daß wir auf verschiedenen Breiten verschiedene Tag und Nachtlängen haben, und Ptolemaios ergänzt Kleomedes durch den Hinweis auf die Ungleichzeitigkeit der Auf- und Untergänge von Sonne und Sternen auf ein und demselben Breitenkreise. Wie sehr die Griechen in diese Weltanschauung eingedrungen waren, zeigt am besten die Behandlung einer sehr seltenen Beobachtung, die geeignet war, eine Probe auf das Exempel zu machen. Man hatte beobachtet, daß der Mond bisweilen verfinstert untergeht, während die Sonne schon aufgegangen ist. Kleomedes erklärt dies Paradoron ganz richtig unter Berufung auf die alten Mathematiker" durch die atmosphärische Strahlenbrechung. Wir wissen glücklicherweise, wer diese alten Mathematiker find, nämlich Archimedes, der nach einer Notiz des Theon von Alexandria in der uns verlornen „Katoptrik" diese Strahlenbrechung zu verschiedenen Erklärungen benugt hat.

Es ist nun sehr bezeichnend, daß diese Kunde von dem griechischen Weltbild sich bei griechischen Schriftstellern sehr lange erhalten hat, wie aus den eben angeführten Zitaten aus Simplicius (ca. 520 n. Chr.), Eutokios (530 n. Chr.), Theon von Alexandria (370 n. Chr.) usw. hervorgeht, dagegen bei den lateinischen Schriftstellern spurlos verschwindet. Sie begnügen sich mit der Kugelgestalt der Erde, nehmen aber die ptolemäische Rechenmethode als eine Theorie der Wirklichkeit und bilden so das ptolemäische Weltbild aus, welches dem mittelalterlichen Denken zugrunde liegt. Aber doch war in unterrichteten Kreisen die Erinnerung an jene griechische Erkenntnis nicht völlig ge= schwunden, und es ist doch recht bezeichnend, daß der Papst, als er am 5. März 1616 das kopernikanische System zu lehren verbot, nicht von einem kopernikanischem System spricht, sondern die falsa doctrina Pythagorica verdammt. Er wußte besser Bescheid als die modernen Apologeten.

Man wird nun fragen: Hat auch die Bibel von diesem griechischen Weltbild Kenntnis gehabt? Ist speziell Jesus und die Apostel darüber unterrichtet gewesen, oder hat man in Palästina im Anschluß an die chaldäische, resp. babylonische, Kultur ein anderes, eben jenes antike Weltbild gehabt? Da ist zunächst festzustellen, daß schon nach den verhältnismäßig geringen Kenntnissen, welche wir aus den bisher ge

lesenen und herausgegebenen Tontafeln (der größere Teil der bisher gefundenen harrt noch der Bearbeitung) über das Weltbild der BabyIonier besißen, mit Sicherheit feststeht, daß um 2000 v. Chr. (viel= leicht gar 4000 v. Chr.) die Erde als eine Kugel, die Himmelskörper als selbständige einzelne Kugeln angesehen wurden, daß man 2000 v. Chr. die Schiefe der Ekliptik kannte, daß man die Sterne nach elliptischen Koordinaten bestimmte, daß man um 700 v. Chr. die Präzision der Tag und Nachtgleichen kannte usw. Und diese staunenswerten Kenntnisse waren in Babylon, im Gegensatz zu Ägypten, nicht auf eine Kleine Priesterkaste beschränkt, sondern wurden in Schulen verbreitet, ja spielten für das ganze Volksleben eine Rolle, da die politische Zeiteinteilung ganz nach astronomischen Grundsäßen geregelt war, hatte man doch den Anfang des Jahres auf das Frühlingsäquinoktium gefeßt. Daß bei solchen Kenntnissen das „antike Weltbild" der Herren Apologeten nicht bestehen kann, bedarf keiner Begründung.

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Die Schriftsteller des Neuen Testaments waren zweifellos mehr von griechischer als altorientalischer Kultur beeinflußt; speziell ein Mann wie Paulus, der Schulbildung besaß, konnte gar nicht unberührt sein von dem, was in griechischen Schulen gelehrt wurde. In Athen, Korinth, Ephesus trat ihm die griechische Weltanschauung von allen Seiten in den Weg; in Rom sah er in jedem Buchladen Globen und Planisphären ausgestellt. Aber man wird sagen, er redet nie davon! Das ist richtig, aber ganz selbstverständlich. Er wollte doch kein Geographiebuch schreiben, sondern schrieb Briefe. Wem fällt es denn heutzutage ein, statt zu sagen: Die Sonne geht auf", sich folgender Worte zu bedienen: „Die Erde hat sich so weit um ihre Achse gedreht, daß die durch die Strahlenbrechung abgelenkten Sonnenstrahlen gerade. den Beobachtungsort berühren“? Die ganze Bibel bedient sich der Sprache des Verkehrs unter Menschen, und diese nimmt die scheinbare Bewegung heute geradeso wie zur Zeit der Bibel zur Grundlage. Auch heute sprechen wir von einem bleiernen Himmel, von einem Versinken der Sonne im Meer. Wenn der Psalmist die Sonne hervorgehen läßt wie einen Bräutigam aus seiner Kammer, so will er damit doch nicht lehren, daß die Sonne in einer unterirdischen Kammer geschlafen habe, sondern er bedient sich eines herrlichen poetischen Bildes. Das ist dem biblischen Dichter doch wohl ebensogut erlaubt wie dem modernen? Wenn der biblische Sänger singt: „Gott Zebaoth, schaue vom Himmel und siehe deinen Weinstock an“, oder: „Du breitest den Himmel aus wie einen Teppich, du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen“, so sagt der moderne Theolog: Seht ihr, wie befangen im antiken Weltbild! Wenn aber Goethe von dem Gott der Liebe singt: „Du stehst mit unerforschtem Busen geheimnisvoll offenbar über der erstaunten Welt und schaust aus Wolken auf ihre Reiche und Herrlichkeit“, so sagt er entzückt: „Welche göttlichen Geheimnisse offenbart hier das Genie!“ Da es natürlich nicht angängig ist, ein antites Weltbild" etwa

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