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bewog den Pabst Nicolaus den Ersten, von Karl dem Kahlen zu verlangeu, daß er seinen Schüßling nach Rom zur Verantwortung senden, oder ihn doch wenigstens von dem Lehrstuhle zu Paris entfernen möge. Der König hlelt sich für genöthigt, in diesem leßteren Puncte zu ges horchen ). Noch im dreizehnten Jahrhunderte ward die Schrift über die Eintheilung der Natur vom Pabste Honorius dem dritten als håretisch verdammt und ward öffentlich zu Rom verbrannt. So sorgfältig und so máchtig waltete die römische Hierarchie in jenem Zeitalter, um jede Aeußerung freier Forschungen und jede nicht von ihr selbst sanctionirte Glaubensmeinung im Gebiete des Ueberfinnlichen zu unterdrücken. Uebrigens ist unser Jo hannes Erigena der Einzige, den man als christlichen Philosophen seines Jahrhunderts betrachten kann, und auch im folgenden fand er keinen Nachfolger. Erst in Der zweiten Hälfte des eilften Jahrhunderts zeigt sich wieder eine Annäherung zu philosophischen Bestrebungen bei einigen Theologen des Abendlandes.

10. Unter ihnen verdient vornehmlich der ehrwürdige Anselmus von Canterbury 2) unsere Aufmerksamkeit wegen seines Versuches, jene wichtigsten aller menschlis chen Ueberzeugungen, welche das Daseyn Gottes, die

1) Ueber die späteren Schicksale des Erigena, nachdem er seine Lehrstelle an der Hoffschule zu Paris verloren, ist nichts Zuverlässiges bekannt, und es ist zweifelhaft, ob er vor oder nach dem Tode Karls des Kahlen (877) das westfränkische Reich verlassen, oder ob er in demselben sein Leben beschlossen.

2) Er ward geboren zu Aosta in Piemont 1034, ward Mönch in dem Kloster Bec in der Normandie 1060, Abt daselbst 1078, Erzbischof zu Canterbury 1093, starb 1109.

göttlichen Eigenschaften und das Verhältniß des Schöpfers zur Welt und zur Menschheit betreffen und welche ihm in der Sphäre des orthodoxen Glaubens schon auf den festesten Fundamenten zu ruhen schienen, auch in der Sphäre des rein vernünftigen Nachdenkens durch Demonstration zu begründen. Er ward hierbei von der Ansicht geleitet der Inbegriff aller wahren höheren Erkenntnisse sey zwar in der katholischen Lehre, durch die Offenbarun gen der Bibel und durch die authentischen Erklärungen derselben von Seiten der lateinischen Kirchenvåter, haupts fächlich des Augustinus, gegeben und müsse zunächst im Glauben aufgefaßt und festgehalten werden. Nachdem aber die gläubige Annahme dieser Wahrheiten bereits erfolgt sey, tönne auch das Trachten als pflichtmäßig an gesehen werden, so weit als die Schranken unserer Inteli genz dies verstatten, zu begreifen und zu verstehen, wir glauben *).

1) Vergl. Anselmi Cur deus homo, `I, 2, (Anselmi Opp. ed. Gabriel Gerberon, edit. II. Par. 1721, fol) pag. 75. De fide trinitatis cap. 2, p. 42-43. Monolog, praef. P. 3. Die Vernunft darf nach seiner Meinung nur gebraucht werden, um die Puncte des römisch katholischen Kirchenglaubens zu erläutern und zu vertheidigen, nie aber, um sie zu bezweifein und zu bestreiten. Wo fie etwas nicht verstehen kann, was jenem Glauben angehört, muß sie sich demüthig unterwerfen. Vergl. de fide trinit. 1. c. nullus quippe christianus debet disputare, quo. modo, quod catholica ecclesia corde credit et ore confitetur, non sit, sed semper candem filem indubitanter tenendo, amando et secundum illam vivendo humiliter, quantum potest, quaerere rationem, quomodo sit. Si potest intelligere, deo gratias aga!, si non potest, non immittat cornna ad ventilandum, sed 'submittat caput ad venerandum. Epistol. 11, epist.

Sein Monologium, die Abhandlung, in welcher er zuerst diese Vernunftbetrachtungen schriftlich ausgeführt *), ist eine nicht bloß wegen ihrer Absicht, sondern auch we gen des in ihr hervortretenden Scharfsinnes schåßbare und so mangelhaft auch die dialektische Behandlung der Be griffe 2) in ihr ist, dennech in Erwägung des dunklen

41. p. 357: nam christianus per fidem debet ad intel lectum proficere, non per intellectum ad fiden acce dere, aut, si intelligere non valet, a fide' recedere. Sed cum ad intellectum valet pertingere, delectatur, cum vero nequit, quod capere non potest, veneratur. 1) De divinitatis essentia monelogium. Ueber die Veranlassung zur Abfassung dieser Abhandlung erklärt er sich in der Vorrede mit folgenden berücksichtigungswerthen Worten: quidam fratres saepe me studioseque precati sunt, ut quaedam, quae illis de meditanda divinitatis es. sentia et quibusdam aliis huic meditationi cohaerenrentibus usitato sermone colloquendo protuleram, sub quodam eis meditationis exemplo describerem. Cujus scilicet scribendae meditationis magis secundum ́ suam voluntatem, quam secundum rei facilitatem aut meam possibilitatem hanc mihi formam praestituerunt, quatenus auctoritate scripturae penitus nihil in ea per. snaderetur, sed quicquid per singulas investigationes finis assereret, id ita esse plano stylo et vulgaribus argumentis simplicique disputatione et rationis necessitas breviter cogeret et veritatis claritas patenter ostenderet. Voluerunt etiam, ut nec simplicibus pe. neque faluis objectionibus mihi occurentibus obviare contemnerem. Quod quidem diu tentare recusavi tandem tamen victus, quod precabantur, incoepi. 2) Der traurige Zustand der damaligen Logik, die schon in wunderliche Spitfindigkeiten und Weitläuftigkeiten bei der Untersuchung der Vorstellungsformen fich zu verlieren. anfing, ohne zum rechten Verständniß der Bedeutung und Eigenthümlichkeit derselben zu gelangen, erhellt auch aus

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Zeitalters, 'iu welchem sie entstand, als Probe eines Aufs schwunges zum Selbfidenken und zur speculativen For schung achtungswerthe Combination philosophischer und theologischer Lehrfäße, die er größtentheils seinen Führern unter den Kirchenvåtern verdankt und in denen das phis losophische Element neuplatonisch ist. Er bezeichnet im Sinne seiner Vorgänger und Gewährsmånner die Schrans ken seiner Untersuchung durch die Anerkennung, Gottes Wesen an sich sey unerforschlich und unaussprechlich. Kein Wort könne zur eigentlichen Bezeichnung desselben dienen; was wir von ihm zu sagen vermögen, drücke nur ein Bild, eine Aehnlichkeit, ein Gleichniß aus, wodurch wir ihn so vorstellen, wie wir ihn in seiner Schöpfung, vornehmlich in der nach seinem Ebenbilde geschaffenen vernünftigen Natur des Menschen, gleichsam im Wiederschein erkennen *). Um nun aber dennoch Gott, so weit es für uns möglich ist, auf dem Wege der rein vernünftigen Méditation zu finden und seines Daseyns gewiß zu werden, sey die Vereinigung folgender von zwei verschiedenen Gesichtspuncten ausgehender Era wägungen erfoderlich.

Erstlich, es gibt unzählig viele gute Dinge, die wir

dem in Form eines Gespräches zwischen Lehrer und Schüs ler von Anselmus geschriebenen dialektischen Auffahe de grammatico, worin die beiden Aristotelischen Kategorieen der Substanz und der Qualität durch Erörterung der Fragepuncte weitschweifig entwickelt werden: ob der Begriff des Grammatikers zur Kategorie der Substanz oder ob er zur Kategorie der Qualität gehöre, ob er eine erste oder zweite Substanz bezeichne, ob es einen Grammatiker gebe, der nicht Mensch sey, u. d. g. i,

1) Monolog. cap. 64-66. p. 24.

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theils durch die Sinne wahrnehmen, theils vermöge der Urtheilskraft des Verstandes auffassen. Diese führen uns bei ihrer Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit nothwendig zu dem Begriff eines Guten überhaupt und schlechts hin Guten an sich, durch welches sie gut sind. Denn nicht, was an ihnen das Verschiedene, sondern was an ihnen das Gleiche ist, ist, an ihnen das Gute 1). An dem allgemeinen Guten nehmen sie mehr oder weniger Theil 2) und dieses, da es ihnen sämmtlich die Güte verleiht, übertrifft sie natürlich alle an Werth und Würde, ist das einzig selbstständige, durch sich selbst Gute und das höchste Gute. Eben so muß auch etwas das GröBeste von Allem seyn. Denn alles verschiedene Große behauptet den Charakter der Größe durch ein Einziges, was das Große an sich selbst ist. Es versteht sich, daß hier nicht das räumlich Große gemeint wird, sondern dasjenige, was um so besser und würdiger ist, je größer es ist. Das an und durch sich selbst Große und deshalb Größte von Allem muß das nämliche seyn, was wir als das an und durch sich selbst Gute und als das Beste von Allem gefunden haben. Mithin zeigt sich als er; wiesen, daß es ein Einziges gibt, was das Größte und Beste, folglich das Höchste ist 3).

i) 1. c. cap. 1. p. 4.

2) Vergl. außer 1. c. cap. 1., auch cap. 16., wo der Pla= tonische Ausdruck participatio zur Bezeichnung dieses Platonischen Begriffes gebraucht ist, der cap. 1. nur durch die Worte angedeutet wird: bonum per se ipsum, per quod cuncta bona sunt.

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3) 1. c. cap. 1 und 2: et quoniam non potest esse sumnie magnum, nisi id, quod est summe bonùm: ne

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