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nug werden. Nur für uns gehöret es sicherlich nicht, über das, was wir doch durchaus nicht wissen können, ein strens ges Urtheil zu sprechen.

Auch das häufige Vorgeben und die scheinbare Besorge niß von schädlichen Unruhen und Verwirrungen, welche bek ungleichen getheilten Lehrmeinungen in der kirchlichen sowohl als bürgerlichen Gesellschaft erfolgen müssten, ist sehr unges gründet. Freilich, wenn solche Grundsätze aufgebracht und ungehindert ausgebreitet werden, welche die Sitten verderben, die Verbindlichkeit des Gewissens schwächen, die kräftigsten Bewegungsgründe der Tugend vernichten, und so die Bande zerreissen, wodurch die Menschen zusammen und in gemeins nüßlicher Ordnung gehalten werden, dann ist es sehr natürs lich, daß das am Ende die verderblichsten Zerrüttungen vers, anlassen muß. Aber eine ganz andere Bewandniß hat es mit solchen Religionsbegriffen und Vorstellungsarten, bei wels chen sich dieser nachtheilige Einfluß, ohne gezwungene, vers drehende Folgerungen, gar nicht denken lässt, und welche an den eigentlichen wesentlichen Gründen der gottseligen · Rechts schaffenheit und Gemüthsruhe nichts ändern. Alle die schåbs lichen Unruhen und feindseligen Spaltungen, die auf diese Veranlassung entstanden sind und davon, zur Schande des christlichen Namens, die Geschichte aller Zeiten so voll ist, I find im Grunde nicht dadurch verursachet worden, daß in dergleichen Stücken der eine Theil so und der andere anders gedacht hat; auch nicht dadurch, daß die verschiedentlich dens fenden ihre gegenseitigen Meinungen mit einem ruhigen Uns tersuchungsgeiste erörtert, Gründe gegen Gründe geseht, und so, wie in andern Gattungen von Wissenschaften und Kennts #nissen, ohne Bitterkeit und ohne auf den Gegner den Vers dacht eines bösen Herzens, oder gefährlicher Absichten zu brins gen, ein Jeder von seiner Seite, wenn gleich nicht mit eins stimmigem Erfolge, der Wahrheit nachgeforscht haben; sons dern lediglich dadurch, daß der eine Theil sich angemaßt hat, Beisp. Samml. 8. B. 2. Abth.

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schäde

über

über die Ueberzeugung und das Gewissen des andern zu herr; schen, bessen Meinung für sündlich und verdammlich zu er Klåren, über allgemeine Seelengefahr zu rufen, wo keine war, den vermeinten Irrgläubigen, als einen wirklichen übelgesinnten Verbrecher aufzustellen, also die Gemüther mit Argwohn, Haß und Abscheu gegen einander zu empōren und zu erbittern, und endlich gar durch Gewalt, Unterdrückung und Verfolgung, wozu sich so oft die weltliche Macht selbst aus unwissendem blinden Aberglauben verleiten und misbraus chen ließ, eine, fälschlich so genannte, Einförmigkeit im Glauben zu erzwir en. Nur diese unverantwortliche Ger finnung und Verfahrungsart ist es, und nicht die Verschie denheit der Meinungen selbst, was, unter dem Vorwande der Religion, die christliche Kirche beunruhiget, so manches Elend über Länder und Völker gebracht, und insonderheit auch die glückselige Einigkeit der Bekenner des Namens Jesu gestöret hat; was diese auch noch immer so lange stören wird, als solcher unselige Geist des moralischen Tadelns und Vers dammens wegen bloßer Meinungen unter ihren Gliedern fortdauert. Und wie sehr hat man nicht oft Ursache zu fürd ten, daß ihrer nicht wenige eben mit diesem falschen men schenfeindlichen Eifer für eine vermeinte Rechtgläubigkeit allein ihre eigenen Untugenden, die ihrem Gewissen, und zum Theil auch der Welt, offenbar genug sind, völlig bei Gott wieder gut zu machen und zu bedzcken glauben. Das hieße, Bergebung seiner Sünden durch eine neue Sünde von dem heiligsten Wesen verdienen wollen; der ünseligste Selb fibetrug, deffen je eine Menschenseele fähig ist! Wann wird doch ein mal die Zeit kommen, da diejenigen, die sich Christen new nen, durchgehends mehr bedenken lernen, daß nur das vor Gott strafbar macht, was aus Mangel eines guten Willens und aus bdsem Vorsaß herrühret, daß es aber durchaus nicht immer in unserer Macht und Willkühr steht, gerade dieseiben Meinungen zu haben, die ein anderer hat, und daß da allein wahre gottgefällige und nüßliche Einigkeit in der Relis

gion ist, wo es einem Jeden für sich mit redlicher Gewissens haftigkeit um Wahrheit zu thun ist, wo er sich selbst dadurch wirklich bessert, und dann seinen Nebenmenschen, der, bet gleicher Gesinnung, etwa anders denkt, nicht allein mit Leuts seligkeit und Sanftmuth erträgt, sondern auch; nach der Rechtschaffenheit seines Gemüths und Lebens, werchschägt und liebt? Wie glücklich würden wir dann von dem verderblichen unchriftlichen Religionshasse befreiet seyn, der die Gemüther, auf eine Art, die so viele traurige Folgen hat, von einander trennt und gegen einander aufbringt! Dies ist der einzige fichere Weg, die wichtige göttliche Anweisung zu befolgen: Lieber Wahrheit und Frieden. Liebet Wahrheit, indem ihr es euch an eurem Theile zur heiligen Pflicht macht, richtige Erkenntnisse zu suchen, und ihnen in eurem Gewissen und Verhalten treu zu bleiben. Liebet Frieden, indem ihr euren Nächsten nicht so etwas zur Sünde rechnet, oder ihn darum anfeindet, worin sein Herz unschuldig und rein ist; indem ihr auch Mängel und Schwächen an ihm ertragt, die keinen bdsen Willen zur Quelle haben. So viel kann ein Chrift von seiner Seite dazu thun, die eigentliche gottgefällige Einige teit in der Religion zu befördern und zu erhalten.

Bei dieser allein möglichen und allein heilsamen Are der Glaubenseinigkeit werden wir uns dann auch hinlänglich beruhigen können, und nicht nöthig haben, so eifrig noch andere äußerliche Vereinigungen der Religionen, oder eigents lich nur der Religionsbekenntnisse, die erst durch menschliche Bemühungen und Veranstaltungen zu Stande gebracht wer den sollen, zu wünschen. Ich weiß nicht, mit welchen Aus gen dergleichen Vorhaben, das auch in unsern Tagen wieber nicht wenig Gerede und Aufsehn zu machen scheinet, von denjenigen angesehen werden mag, die davon etwas wirklich Sutes erwarten; da doch im Grunde und nach der Wahrs heit weit eher das Gegentheil dabei zu befürchten ist. Meis nungen zu vereinigen und Einen dem Andern gleich denken Rr 2

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zu machen, das kann doch schlechterdings nicht anders ges schehen, als durch Ueberzeugungen, die einem Jeden selbst einleuchten, und die er für richtig erkennet. Wie sollten aber Menschen, die doch, sie mögen sonst seyn was sie wols len, allemal Menschen, fehlbare Menschen und dem Jers thum unterworfen bleiben, wie sollten die, bloß durch ihre Unterhandlungen und Verabredungen, für Alle und auf ims mer ausmachen und festseßen können, was diese glauben und für wahr halten müssten, so lange eine wirkliche allgemeine Gleichförmigkeit im Denken, wegen der Ungleichheit in den Fähigkeiten des Verstandes und in so vielen andern dazu mits wirkenden Ursachen, etwas eben so unmögliches ist, als wenn wir von allen und jeden Menschen, außer dem, was eigentlich zur gemeinschaftlichen und wesentlichen menschlichen Natur gehöret, auch noch einerlei Gestalt und Gesichtsbil dung fordern wollten! Oder soll vielleicht das Arbeiten an einer Religionsvereinigung nur darin bestehen, gewisse Glaus bensformeln auszukünfteln, sie zum allgemeinen Nachsagen vorzuschreiben, und sie dann durch äußerliche Zwangsmittel verbindend zu machen? Das wäre die unverzeihlichste Ger waltthätigkeit gegen den menschlichen Geist, indem dieser da durch seines edelsten Vorrechts, der freien Untersuchung der Wahrheit und der daraus allein entspringenden eigenen Eins ficht, beraubt würde. Und diese ist uns vor allen Dingen unentbehrlich in der großen Angelegenheit der Religion, de ren sekige Wirkungen schlechterdings und insgesammt aus eigenen lebendigen Ueberzeugungen fließen müssen. Darin haben wir auch die ernstlichen Anweisungen des göttlichen Worts vor uns: Prüfet die Geister, die Lehrer und ihre Lehren, ob sie aus Gott sind. Prüfer alles und das Gute behaltet. Was würde auch bei einer solchen, durch vorges schriebene Bekenntnißformeln veranstaltete, Religionsvers einigung aus dem Fortgange und Wachsthum unserer Ers kenntniß in göttlichen Dingen werden, der doch hier so wohl, als in jeder andern Art unsers Wissens, der Natur des

menschs

menschlichen Geistes und den weisen Absichten Gottes selbst so sehr gemäß ist? Soll es etwa den Gliedern der also vers einigten Kirche geradehin verboten seyn, von nun an, nache dem die Einigkeitsformeln festgesezt worden, irgend ein Stück der Religion aus guten einleuchtenden Gründen besser, als bisher einzusehen und darnach ihre für unrichtig erkannten Begriffe und Meinungen zu åndern? Das hieße, auf eine unnatürliche Art den Irrthum zu einem heiligen und ewigen Gesetze machen, und der Wahrheit, die ordentlicher Weise nur nach und nach in ihrem immer reinern Lichte entdeckt wird, auf alle Zeiten den Zugang verschließen, welches doch die ungerechteste und gewiffenloseste Gemalt ist, die jemal gegen vernünftige menschliche Seelen ausgeübt werden kann.

Zollikofer.

Georg Joachim Zollikofer, geb. in St. Gallen in der Schweiz, 1730; gest. als reformirter Prediger zu Leipzig, 1787. Ich enthalte mich aller Charakterisirung dieses trefflichen Mannes, dessen Religionsvorträge und Erbauungsschriften so alls gemein bekannt und geschäßt sind, da wir von ihm einen meisters haft gezeichneten Charakter von Garve besigen, und feine auss führliche Biographie vom Hrn. von Blankenburg nächstens zu erwarten haben. Nur aus der Garvischen Schrift sete ich fol gendes zum Kommentar des hier eingerückten Beispiels her: „Die Schilderung des Mannes, der in keinem Worte fehlet, ift eis ner der vorzüglichsten Auffäße in der unlängst erschienenen Samm lung seiner Predigten. Diese Schilderung ist in der That das Bildniß ihres Verfassers. Wenige Menschen sind so aufmerksam, als er war, nichts unwahres zu sagen. Eben deswegen sprach er weniger als andre, weil es ihm unmöglich war, zu sagen, was er nicht dachte, oder zu reden, worüber er nicht zuvor gedacht hatte."

Wer in feinem Worte fehlet, dessen Rede ist immer für ihn felbst und andere verständlich; immer richtig und genau bes stimmt; immer wahr; und immer wohlthätig und unbeleis digend. Bier Eigenschaften der Rede, welche die Rede Rr3

selbst

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