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als Berufungsgericht, sondern gleichsam als erste und letzte Instanz, also ähnlich wie ein inappellables Schiedsgericht funktionieren kann. Dass ihm in keinem Falle eine Zwangsgewalt zusteht, vermag seinem Charakter als Gericht nicht Abbruch zu tun, weil ja auch staatliche Gerichte häufig einer Exekutionsbefugnis entbehren. Die Übertragung einer Zwangsgewalt an ein Gericht, welches über Rechtsansprüche gegen Staaten zu entscheiden hat, wäre heute nicht möglich. und auch gar nicht notwendig. Man war auf Grund der günstigen Erfahrungen, die man in dieser Hinsicht gemacht hat, vollauf berechtigt, vorauszusetzen, dass die Staaten den Erkenntnissen des Prisenhofes ohne weiteres Folge leisten werden, so wie sie bisher auch den Urteilen der Schiedsgerichte nachgekommen sind. Dass man den Artikel 9 des Prisenhofabkommens, wonach sich die Vertragsmächte verpflichten, sich den Entscheidungen des Prisenhofes nach Treu und Glauben“ zu unterwerfen, einer analogen Bestimmung der Haager Schiedsgerichtskonvention nachgebildet hat, kann offenbar keinen Beweis dafür abgeben, dass der Prisenhof ein Schiedsgericht ist. Auch bedeutet diese Stelle nicht, wie der Herr Verfasser annimmt, dass der Kriegführende berechtigt wäre, den Vollzug eines Urteils des Prisenhofes unter Berufung auf seine Ehre oder seine Lebensinteressen abzulehnen. Die Formel nach Treu und Glauben" besagt vielmehr, dass ein Staat, der am Prisenhofabkommen beteiligt ist, verpflichtet ist, den Erkenntnissen des Prisentribunals bona fide Folge zu leisten. Täte er es nicht, so würde er Treu und Glauben verletzen 1).

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Gestützt auf die Erfassung der Prisenhofkonvention als eines. Schiedsvertrages und auf die Deutung der Klausel „nach Treu und Glauben verficht Pohl die Anschauung, dass ein Staat seiner Ehre und seinen Lebensinteressen einerseits dadurch Rechnung tragen könnte, dass er die Einlassung in den Streit vor dem Prisenhof verweigert, andererseits dadurch, dass er dem Urteil den Gehorsam versagt. Den Ausführungen Pohls ist nicht zu entnehmen, welche Umstände es seiner Ansicht nach rechtfertigen würden, dass ein Kriegführender die Durchführung eines Erkenntnisses des Prisenhofs ablehne. Der Herr Verfasser nimmt selbst nicht an, dass die Ehre und die Lebensinteressen eines Kriegführenden bereits dadurch tangiert werden, dass der Prisenhof eine Beschlagnahme für rechtswidrig erklärt und aufhebt, welche ein Offizier des Kriegführenden vollzogen hat. Eine solche Annahme

1) Vgl. den Bericht Renaults an die 2. Friedenskonferenz: „Il va sans dire que les Puissances signataires acceptent d'avance les décisions que pourra rendre la cour internationale . . ." (actes et documents, tome I p. 193).

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würde ja dahin führen, dass der Kriegführende das Urteil immer dann ignorieren dürfte, wenn er im Verfahren unterlegen ist. Im Grunde genommen würde aber selbst diese in keiner Hinsicht vertretbare Auslegung dem Standpunkte des Herrn Verfassers nicht Genüge leisten. Denn es wäre doch denkbar, dass das Urteil zwar nicht im Tenor der Entscheidung, aber in der Begründung der Ehre des Belligerenten nach dessen Auffassung nahetritt. Diese Möglichkeit wird nun auch durch die Pohl'sche Konstruktion des Prisenhofes als eines Schiedsgerichts nicht ausgeschlossen; denn es ist klar, dass sie sich auch in einem schiedsgerichtlichen Verfahren ergeben kann. Sollte man deshalb auch die Schiedsgerichtsbarkeit in Bausch und Bogen bekämpfen? Man wende auch nicht ein, dass ein Staat, gestützt auf die Ehrenklausel, die schiedsgerichtliche Austragung immer dann ablehnen kann, wenn die Möglichkeit vorliegt, dass ihn das Erkenntnis sei es im Tenor, sei es in der Motivierung vom Standpunkte einer subtilen Ehrenauffassung nicht befriedigen werde. Denn eine solche Möglichkeit ist in jedem einzelnen Falle gegeben. Derartige Eventualitäten können allerdings insolange wenig Beachtung erheischen, als die Staaten die Schiedsgerichte ad hoc konstituieren und solcherart in jedem einzelnen Falle Richter ihres Vertrauens wählen. Eben um dieser Garantien nicht verlustig zu gehen, zögern die Mächte heute noch, einen wirklich ständigen Schiedshof einzusetzen, dessen Mitglieder von vorneherein bestimmt sind. Jene Argumente sprechen also gar nicht gegen die Natur des Prisenhofes als eines Berufungsgerichts, sondern gegen die Natur des Prisenhofes als eines ständigen Forums, und sie würden zur Gänze bestehen bleiben, wenn man, wie Pohl tut, den Prisenhof als ein ständiges Schiedsgericht auffasst.

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Nun ist aber leicht zu zeigen, dass gerade das Prisenhofabkommen eine Reihe sehr wirksamer Garantien bietet, um die Interessen der beteiligten Mächte zu schützen. Vor allem kann der Nehmestaat dies Recht steht den Staaten allerdings auch im schiedsgerichtlichen Verfahren zu zu den Verhandlungen , agents, conseils und avocats" abordnen (vgl. Artikel 62 der Schiedskonvention und Artikel 25 des Prisenhofabkommens ). Des weiteren aber ist der Kriegführende jeweils berechtigt, im Prisenhofe selbst durch einen Richter vertreten zu sein, also alle Beratungen dieser Instanz zu kontrollieren und überdies bei der Entscheidung seine eigene Stimme in die Wagschale zu werfen. Wobei noch gegen Pohl zu bemerken kommt, dass es einigermassen irreführen kann, wenn man sagt, dass Richter aus Guatemala, Honduras, China, Montenegro Urteil sprechen sollen über militärische Operationen deutscher Seeoffiziere"; denn von den fünfzehn Richter

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stellen im Prisenhofe gebührt den Grossmächten mehr als die Hälfte, so dass die Richter aus den grossen Staaten in aller Regel den Ausschlag geben werden. Zudem hat sich ja der Prisenhof mit den streng militärischen Operationen und diese entscheiden in erster Linie über den Ausgang des Krieges, nicht die Unternehmungen gegen die Kauffahrteischiffe überhaupt nicht zu beschäftigen. Endlich kann der vor dem Prisenhofe belangte Kriegführende noch einen hohen Marineoffizier delegieren (Artikel 18 der Prisenhofkonvention), der befugt ist, an den Verhandlungen mit beratender Stimme teilzunehmen. Alle diese Persönlichkeiten (Sachwalter, Richter und Offizier) sind nun sicher legitimiert und auch sehr wohl in der Lage, die Ehre ihres Heimatsstaates in jedem Stadium des Verfahrens wahrzunehmen, und es kann als ausgeschlossen gelten, dass sich in dieser Hinsicht jemals Schwierigkeiten ergeben werden; wir erkennen dies an den Schiedsgerichten, welche weit weniger Gewähr in dieser Richtung bieten und dennoch klaglos funktionieren.

Damit haben wir allerdings die wesentlichen Bedenken des Herrn Verfassers noch nicht zerstreut. Es könnte doch nach der Lage des Falles vorkommen, dass ein Kriegführender besorgt, die Verhandlung einer besonders heiklen Prisensache könnte seiner Ehre oder seinen Lebensinteressen abträglich sein. In diesem Fall, meint Pohl, braucht sich der Kriegführende in den Streit nicht einzulassen 1). Was geschieht nun aber, so ist zu fragen, mit dem Schiffe oder der Ware, die zu Unrecht beschlagnahmt wurden? Würde es etwa der Ehre entsprechen, wenn sich der Staat unrecht Gut behielte? Und wie, wenn der Krieg führende nicht gerade aus Rücksicht auf seine Ehre oder seine vitalen Interessen, jedoch aus anderen wichtigen Gründen aus der Einlassung in den Streit vor dem Prisenhof schwere Nachteile befürchtet? Auf diese Fragen gibt uns der Herr Verfasser keine Antwort. Denn es ist offenbar, dass die Erfassung des Prisenhofes als eines Schiedsgerichtes hier keinerlei Remedur schafft.

Gleichwohl gibt es eine Abhilfe. Nur ist sie nicht in künstlichen juristischen Konstruktionen und Distinktionen zu suchen, sondern in der Prisenhofkonvention selbst. Die Bestimmungen dieses Abkommens tragen allen von uns angeführten Bedenken Rechnung, sie gehen also über die Ehrenund Interessenklausel noch hinaus. Der Kriegführende hat nämlich in jedem einzelnen Prisenfalle die Möglichkeit, eine Verhandlung vor dem Prisenhofe und damit selbstverständlich auch eine Urteilsfällung auszuschliessen: er braucht bloss das saisierte Schiff oder Gut freizugeben

1) S. 202.

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oder den geforderten Ersatz zu leisten. Damit ist jede Befassung des Prisenhofes mit der Sache ausgeschlossen. Freilich werden die Kriegführenden hierbei unter Umständen genötigt sein, eine vielleicht sehr wertvolle Beute fahren zu lassen, die ihnen von Rechts wegen zukommt. Allein hierin liegt eine Garantie dafür, dass sie von der Möglichkeit. den Prisenhof zu umgehen, nur dann Gebrauch machen, wenn wirklich schwerwiegende Gründe bestehen. Solche Gründe werden aber voraussichtlich gerade dann vorliegen, wenn das beschlagnahmte Schiff oder Gut im Eigentum eines fremden Staates stand. Eben in diesen Fällen könnte jedoch der Kaptor an die Freigabe eine Verwahrung des Inhalts knüpfen, dass er sich vorbehalte, über die Rechtmässigkeit der Beschlagnahme auf diplomatischem Wege zu verhandeln. Es ist zuzugeben, dass ein derartiges Vorgehen dem Geiste der Prisenhofkonvention nicht völlig konform wäre. Doch dürften die Mächte, welche wissen, dass sie unter Umständen in die gleiche Lage geraten können, einen solchen Standpunkt zu würdigen verstehen. Damit würde zumindest für die Mehrzahl der Fälle das Bedenken entschwinden, dass der Belligerent die Wahrung politischer Interessen mit der Freigabe eines eventuell rechtmässig beschlagnahmten Gutes zu erkaufen gezwungen ist. Mag man übrigens diese Frage wie immer entscheiden, so kommt doch zu erwägen, dass sich gerade in den Fällen, wo eine Beschlagnahme begründet war, das Bedürfnis, den Prisenhof zu meiden, selten ergeben wird. Endlich liegt in der Freigabe, auch wenn die Beschlagnahme gerechtfertigt war, niemals ein effektiver Verlust, sondern der Verzicht auf einen Gewinn. Es ergibt sich also, dass die Einfügung der Ehren- und Interessenklausel in die Prisenhofkonvention völlig überflüssig wäre, ja dass dieses Abkommen den individuellen Interessen der Staaten weit mehr Rechnung trägt, als irgendein jene Klausel enthaltender Schiedsvertrag. Es liegt daher auch vom Standpunkte Pohls keinerlei Anlass vor, den Prisenhof in ein Schiedsgericht umzudeuten; ja eine solche Umdeutung würde gerade dem Standpunkt des Herrn Verfassers zuwiderlaufen. Zudem muss festgestellt werden, dass ja die Staaten keineswegs berechtigt sind, die Durchführung eines schiedsrichterlichen Erkenntnisses zu verweigern. Wenn es in Artikel 18 der Schiedskonvention vom 29. Juli 1899, der als Absatz 2 des Artikels 37 in der Schiedskonvention vom 18. Oktober 1907 wiederkehrt, heisst: Le recours à l'arbitrage implique l'engagement de se soumettre de bonne foi à la sentence", so ist dies nach den Worten des von Baron Descamps an die Erste Friedenskonferenz erstatteten Berichtes folgendermassen zu verstehen: L'obligation de se

soumettre de bonne foi à la sentence arbitrale est

.

une obligation

positive impliquée dans la convention intervenue. Un arbitrage n'est pas une tentative de conciliation. Le trait caractéristique de l'arbitrage est précisement la soumission commune des Etats à un juge de leur choix, avec engagement, qui en découle naturellement, de se conformer loyalement à la sentence". Man könnte sich in der Tat schwerlich etwas weniger loyales vorstellen, als wenn ein Staat, der der schiedsgerichtlichen Austragung eines Konfliktes zustimmt, sich im Stillen vorbehält, das Erkenntnis des Schiedsgerichtes, wenn es ihm zusagt, anzunehmen, und es, wenn es ihm nicht behagt, abzulehnen. Ich bin überzeugt, in diesem Punkte die Zustimmung des Herrn Verfassers zu finden. Es ist eben Sache der Staaten, beim Abschlusse von Schiedsverträgen und bei der Besetzung der Schiedsgerichte die entsprechende Vorsicht walten zu lassen.

Ich glaube bereits mit dem Vorstehenden gezeigt zu haben, dass die Bedenken Pohls gegen die Aktivierung des Prisenhofes nicht Stich. halten. Der Vollständigkeit halber will ich jedoch auch auf die weiteren Argumente des Herrn Verfassers eingehen und den von ihm vorgeschlagenen Weg auf seine Gangbarkeit prüfen.

Pohl führt für den schiedsgerichtlichen Charakter" des Prisenhofes noch ins Treffen, dass die Mitglieder des Prisenhofes nicht bestrebt sein werden, die Streitsachen juristisch zu entscheiden, sondern vielmehr sie „ex aequo et bono aus der Welt zu schaffen": „Das Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens wird die Mitglieder des Prisenhofs gewiss veranlassen, dem zu erwartenden Effekt ihres Erkenntnisses einen grossen Einfluss auf den Spruch einzuräumen. Die Richter werden sich verantwortlich fühlen für die politische Wirkung ihrer Tätigkeit in jedem einzelnen Falle . . .)". Ich kann zunächst nicht einsehen, wieso man den Mitgliedern des Prisenhofes zumuten dürfte und könnte, dass sie sich über ihre Verpflichtung hinwegsetzen werden, nur dann ex aequo et bono zu judizieren, wenn nicht ein Staatsvertrag oder eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts zur Anwendung zu bringen ist. Ich halte aber auch die Besorgnis Pohls an sich für unbegründet. Vor allem wird der Prisenhof als ein ständiges Gericht in jedem Kriegsfalle nicht über eine einzelne Prisensache, sondern in aller Regel über eine ganze Reihe solcher Sachen zu entscheiden haben, und schon hierdurch dürfte jede einzelne Entscheidung an politischer Bedeutung verlieren. Auch bedenke man, dass der Prisenhof aus mindestens neun Richtern zusammengesetzt sein muss 2) und dass aller Voraussicht nach jeweils mehrere Grossmächte in ihm vertreten sein werden. Wie sollen sich nun

1) S. 208.

2) Vgl. übrigens auch Art. 56, letzter Absatz der Prisenhofkonvention.

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