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und raten, und in der That wird er nicht müde, den Brüdern Rede zu stehen, ja er bietet ihnen an, das ehrwürdige Denkmal gemeinsam zu veröffentlichen, und stellt so seine umfassenden Vorarbeiten ihnen zur Verfügung. Durch den Grafen Hammerstein erhielt Wilhelm die Abschrift aller Lieder, doch waren die Schwierigkeiten so grofs, dafs die Ausgabe erst 1815 erscheinen und, um mit Scherers Worten zu reden, der fingerfertige Hagen Gelegenheit hatte, den Brüdern mit Text und Übersetzung zuvorzukommen und ihnen den Markt zu verderben. Es half nichts, dafs sie seine Leistung bei weitem übertrafen, dafs sie alles gethan hatten, um das Publikum zu befriedigen: ihr Text war sorgfältig interpungiert, mehrfach geschickt verbessert, sprachlich wie sachlich erklärt, mit Inhaltsangaben und zwei Übersetzungen, einer mehr wörtlichen, einer freieren begleitet, die letztere noch heut die beste, die wir besitzen, und neuerdings wieder aufgelegt. Aber das Buch hatte keinen Erfolg, und der zweite Band blieb ungeschrieben.

Solches Mifslingen konnte wahrhaft für ihre Ziele begeisterte Männer nicht schrecken. Sie fuhren fort, das nordische Eis zu behauen und zu tauen, und wenn es auch nicht mehr durch Ausgaben nordischer Texte geschah, so doch dadurch, dafs sie den skandinavischen Norden in den Kreis ihrer mythologischen, grammatischen, sagengeschichtlichen Studien zogen und ihm im germanischen Völkerkreise den Platz anwiesen, der ihm gebührt.

Am 16. Dezember 1859 wurde Wilhelm Grimm dem Bruder, der Wissenschaft durch den Tod entrissen. Vier Jahre fast wandelte Jakob noch allein unter den Lebenden, in der heiteren Freude des Forschens und Schaffens, die ihn von jeher begleitet hatte. Da, im September 1863, trug man auch ihn hinaus auf den Matthäikirchhof und bettete ihn neben den Bruder, wie er es selbst vorhergesagt hatte, an eine Stelle des tiefsten Friedens. Und wenn wir im Sommer, der Sitte unserer Gesellschaft gemäfs, hinauswandern an ihre Gräber, und der abgeschiedenen Brüder andachtsvoll gedenken an ihrem Ruheplatze, ist es nicht ein Hauch des tiefsten Friedens, der sich um unsere Seele legt, trotz der Nachbarschaft des Schienenwegs, auf dem rasselnd und rauchend die Herolde des rastlosen Weltverkehrs dahinrollen? Tiefsten Frieden predigt ihr Leben, die Stürme, die es durch

fuhren, schüttelten wohl die Zweige, aber sie entwurzelten nicht; sie liefsen ihr Haar ums Haupt flattern, doch gruben sie nicht Furchen des Grams auf die edlen Stirnen. Tiefsten Frieden atmet das Bild, das den ersten Band des Wörterbuchs schmückt; und ihm gegenüber der Engel mit der Fackel, der da lehrt: im Anfang war das Wort er ist das Symbol ihres Lebens, dem aus dem Studium der menschlichen Rede, aus der Arbeit am Wort schon auf Erden himmlischer Friede flofs.

Hans Löschhorn.

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Die neuesten Schriften

über die gedruckte

vorlutherische deutsche Bibelübersetzung.*

Das Interesse für die gedruckte vorlutherische deutsche Bibelübersetzung hat sich seit dem Jahre 1878, in welchem ich an dieser Stelle einen im Archiv, Bd. LXI, S. 369 ff. abgedruckten Vortrag darüber hielt, wesentlich gesteigert. Einen Hauptanstofs für eine eingehendere Beschäftigung mit derselben gab die bald darauf erfolgte Veröffentlichung des sogenannten Codex Teplensis, d. h. der Handschrift einer vorlutherischen Übersetzung des Neuen Testaments, welche sich in der Bibliothek des Prämonstratenser-Klosters Tepl bei Marienbad befindet. Ich habe in einer ausführlicheren, in den Sonntagsbeilagen der Neuen Preufs. Ztg. vom 3. bis 17. Juli 1881 abgedruckten Besprechung der ersten Lieferung dieses Werkes zuerst darauf aufmerksam gemacht, dafs dieser Codex Teplensis Wort für Wort, ja Silbe für Silbe mit dem Text der ersten drei Ausgaben der gedruckten vorlutherischen Bibelübersetzung übereinstimme. Wie bemerkt, mit dem Texte jener ersten drei Ausgaben, welcher, wie ich in meinem oben erwähnten, im Archiv abgedruckten Vortrage dargelegt hatte, in der folgenden, bei Frifsner und Sensenschmidt in Nürnberg erschienenen vierten Auflage eine modernisierende, die archaistisch gewordenen Ausdrücke überall verändernde Überarbeitung erfahren hat. Der

Vortrag, gehalten in der Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen.

Archiv f. n. Sprachen. LXXVI.

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Herausgeber jenes Codex, Bibliothekar Pater Klimesch in Tepl, ebenso wie der Verleger Dr. Max Huttler, Vorsteher des Litterarischen Instituts in München, hatten jene Thatsache bei Herausgabe der ersten Lieferung selbst noch nicht gekannt, sondern vielmehr, zum Beweise, dafs ihr Codex eine grofse Ähnlichkeit mit dem Texte der gedruckten Übersetzung habe, nur den Text der elften, bei H. Schönsperger im Jahre 1487 in Augsburg erschienenen Auflage zur Vergleichung herangezogen und die Varianten dieser Auflage unter dem Texte ihres Codex abdrucken lassen. Selbstverständlich mufsten dieser Varianten sehr viele sein, da jene elfte Auflage ebenso wie alle seit der vierten überhaupt gedruckten, den modernisierenden Veränderungen der letzteren gefolgt ist. Nachdem ich auf jenes obige, für den Text des Codex Teplensis viel günstigere Verhältnis aufmerksam gemacht hatte, haben dann Herausgeber und Verleger in der dritten und letzten Lieferung noch durch Prof. Th. Auracher in München eine nachträgliche Vergleichung mit dem Texte der ersten Ausgabe der gedruckten Bibelübersetzung nach dem in München befindlichen Exemplare anstellen und die sich dabei ergebenden, sehr geringfügigen und unbedeutenden Varianten am Schlusse ihres Werkes hinzufügen lassen.

An die Veröffentlichung des Codex Teplensis haben zwei im vorigen Jahre erschienene Streitschriften angeknüpft. Die eine ist die von dem damaligen Sekretär der UniversitätsBibliothek zu Würzburg, jetzigen Bibliothekar in Giefsen, Dr. Herman Haupt veröffentlichte Schrift: „Die deutsche Bibelübersetzung der mittelalterlichen Waldenser in dem Codex Teplensis und der ersten gedruckten deutschen Bibel nachgewiesen. Mit Beiträgen zur Kenntnis der romanischen Bibelübersetzung und Dogmengeschichte der Waldenser. Würzburg, Stahelsche Buchhandlung 1885." Gegen diese Publikation gab noch im Herbste vorigen Jahres der Privatdocent der deutschen Sprache und Litteratur an der Königl. Akademie zu Münster Dr. Franz Jostes eine Gegenschrift heraus: „Die Waldenser und die vorlutherische deutsche Bibelübersetzung. Eine Kritik der neuesten Hypothese", worin der von Dr. Haupt behauptete waldensische Ursprung jener Bibelübersetzung entschieden geleugnet wird. Haupt hat sofort

nach dem Erscheinen dieser Gegenschrift eine Widerlegung derselben und einen Nachweis der Richtigkeit seiner Hypothese angekündigt, welcher aber meines Wissens bisher noch nicht veröffentlicht worden ist.

Bevor ich auf den Inhalt dieser beiden Broschüren eingehe, will ich zuvor noch eine allgemeinere, schon im Jahre 1883, also vor den letztgenannten beiden Streitschriften als Programm der Universität Bonn herausgekommene Schrift über unsere vorlutherische Bibelübersetzung charakterisieren. Sie führt den Titel: „Die deutsche Bibel vor Luther, sein Verhältnis zu derselben und seine Verdienste um die deutsche Bibelübersetzung." Von Dr. W. Krafft, Professor. Ich mufs gestehen, dafs für denjenigen, welcher sich selbst schon einigermafsen näher mit der vorlutherischen Bibel beschäftigt hat, diese Abhandlung Kraffts, wie doch ein Universitätsprogramm eigentlich sollte, nichts Neues enthält. Vielmehr macht der Verfasser den Eindruck eines Mannes, welcher selbst erst seit kurzem auf den Gegenstand aufmerksam geworden ist und nun das lebhafte und lobenswerte Interesse, welches ihm derselbe persönlich eingeflöfst hat, uns als Ersatz für eine erwartete etwaige Bereicherung und Vermehrung des seit hundert Jahren über den Gegenstand schon Bekannten und von anderen Gesagten darbietet. Die Abhandlung beginnt damit, die Versuche der Goten und Germanen seit Ulfilas, sich die Bibel in ihrer Muttersprache anzueignen, kurz zu skizzieren, giebt dann ein Verzeichnis der vierzehn hochdeutschen und drei niederdeutschen Ausgaben der gedruckten vorlutherischen deutschen Bibel und äufsert sich des weiteren über die Beachtung und Verbreitung, welche diese deutsche Bibel schon vor Luther im Volke gefunden habe. Selbstverständlich werden dabei die bekannten Anfangszeilen von Brants ,,Narrenschiff vom Jahre 1494 angeführt:

All land syndt yetz voll heylger geschrifft
Vnd was der selen heyl antrifft,

Bibel, der heylgen vätter ler

Vnd ander der glich buocher mer.

Sodann geht der Verfasser auf die ersten Versuche Luthers, einzelne Teile der Bibel zu verdeutschen, und auf die ersten

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