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Ein Beitrag zur Kenntnis des Sprachgebrauchs Klopstocks. Schlufs. Von Prof. Christian Würfl. Programm des zweiten Gymnasiums zu Brünn 1885. 40 S. gr. 8.

Dasselbe Lob, welches den früheren Heften im Archiv zu teil geworden ist, verdient das vorliegende Schlufsheft. Es war das Bestreben des Verf., zu den erschienenen Teilen des Grimmschen Wörterbuches Nachträge und für die Fortsetzung desselben brauchbaren Stoff zu liefern, und eine Fülle desselben liegt hier wieder in lexikalischer Form vor. Es umfafst dieser Teil der Abteilung die Buchstaben V, W, Z, das ist die Hälfte dieses Heftes. Hier tritt uns wieder die Kühnheit des Sprachbildners recht deutlich entgegen; es sind aber, wie früher, nicht blofs die sonst weniger gebräuchlichen Wörter, die angeführt sind, sondern auch die selteneren Konstruktionen. Es seien nur einige Wörter genannt, für die auch die Belegstellen gegeben sind: Verbildete, Verbildung, verbritten, Verdeutschen, Todes verfahren sterben, der Vergötterer, vergramen = in Gram verfallen, vergriechen ins Griechische übersetzen, Verhalt Verhältnis, verlängen, vermünzen, verschlummern, vervierecken, verweinen = durch Weinen entfernen, vielmeilig, vielzüngicht, vorsein = bevorstehen, waghalser, der Weidner = Weidmann, die Weissage, Wolffianerei = Wolffsche Philosophie, der Witterer, Wonnestimme, Wortbevölkerung, wortgläubig, Zährchen, Zellner Mönch, zerfliegen, zerplaudern, Zornkelch, zudringend, Zünfter, es zwergelt = geht ins Zwergenhafte, zwölfgestämmt

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in zwölf Stämme geteilt. In der zweiten Hälfte der Abhandlung berührt der Verf. verschiedene syntaktische Eigentümlichkeiten, hier natürlich nur einiges herausgreifend. Auch hier sehen wir wieder, wie der Dichter, wenn er auch hier und da einseitig ist, auf Sonderbarkeiten verfällt, doch im grofsen von dem wohlthätigsten Einfluss auf die Entwickelung unserer Sprachweise gewesen ist. So ist es ein Verdienst, dafs er der übermässigen Ausbreitung des Artikels, die immer weiter wucherte, entgegengetreten ist; mehr noch als den bestimmten, hat er den unbestimmten Artikel beschränkt. Beim Pronomen ist eigentümlich, dafs er das Pron. dem. öfters dem Substantiv nachsetzt, um dies noch mehr hervorzuheben. Sehr oft läfst er auch das Pron. aus, z. B. bei transitiven Verben, wo es Objekt sein sollte. Am schöpferischsten ist er in der Neubildung zusammengesetzter Adjektive. Lobenswert ist auch der Gebrauch der starken Form des Genetivs beim Adjektiv. Merkwürdig ist der öftere Gebrauch des Komparativs statt des Positivs oder Superlativs, sowie die Komparation der Participia. Bekannt ist die Leichtigkeit, mit der Kl. neue Substantive gebildet hat. Eigentümlich ist die Bestimmung eines Subst. durch ein zweites Subst. statt durch ein Adjektiv, z. B. ein Mädchen der Unschuld. Auffallend ist die Verbindung zweier Substantive, so dafs das eine eine Eigenschaft des anderen ausdrückt, z. B. Herkules Friedrich. Er gebraucht ferner den Plural von Subst., auch von Abstrakten, der sonst nicht üblich ist, z. B. Erbarmungen. Lobenswert ist sodann, dafs er sich gegen das Überwuchern der Präpositionen stemmte und also das poetische Element der Sprache, welches im reinen Kasus liegt, zu erhalten suchte. Mit Vorliebe gebraucht er den Genetiv auch da, wo man jetzt den Accusativ oder eine Präposition gebraucht. In der Zusammensetzung der Verba besitzt bekanntlich unsere Sprache einen unerschöpflichen Quell immer neuer Bildungen; keiner hat mehr als Kl. von diesem Reichtum Gebrauch gemacht; zahllose participierte Zusammensetzungen (blumenbestreut, blutbesprengt, fluchbeladen u. s. w.) hat er unserer Sprache zugeführt. Der poetischen Kürze wegen bedient er sich mehr als andere der Ellipse; mehr auch als ein anderer Dichter liebt er es, zwei Wörter gleichen Stammes miteinander zu verbinden

(wir freuen uns Himmelsfreuden, die Stille ward stiller). Nicht zu seiner Abgeneigtheit gegen Fremdwörter pafst die Neigung, auf syntaktischem Gebiete fremde Idiome nachzuahmen.

Französische Einflüsse bei Schiller. Von Prof. Otto Schanzenbach. Programm des Eberhard - Ludwigs - Gymnasiums zu Stuttgart 1885. 52 S. 4.

Dem schon im Archiv ausgesprochenen Urteil über diese gründliche musterhafte Abhandlung stimmt Ref. durchaus bei und erlaubt sich nur eine Bemerkung. Es wird wohl nicht möglich sein, dem belesenen Verfasser nachzuweisen, dafs er irgend ein Verhältnis Schillers zur französischen Litteratur, irgend eine Beziehung übersehen habe; mit grofsem Interesse verfolgen wir die Auseinandersetzungen über den Einflufs Rousseaus, Diderots, Montesquieus, über Schillers Studien zur Zeit der französischen Revolution, die Urteile in den philosophischen Schriften über Rousseau, Voltaire und die anderen französischen Dramatiker, in den kleineren Gedichten der späteren Zeit die Antipathie gegen das französische Wesen, die echt patriotische Gesinnung, die doch nie den Ton eines egoistischen Patriotismus anschlägt, das fortdauernde Interesse für alle wichtigeren neuen Erscheinungen der französischen Litteratur, das klare Urteil über Frau von Staël u. s. w. Auch für Einzelerklärung mancher Gedichte bietet die Abhandlung schätzbare Beiträge; z. B. sei erwähnt für den Kampf mit dem Drachen“, Z. 5: Zierden der Religion; da Schiller nach Vertot gearbeitet hat, so ist zu bemerken: Religion s'est dit absolument de L'ordre de Malta, also nicht von jedem religiösen Orden. Wenn nun der Verfasser bei Anerkennung französischer Einflüsse auf Schiller doch mit Recht den weiten Unterschied unserer Klassiker, besonders Schillers, gegen die anderer Nationen, nämlich die Vielseitigkeit ihrer allgemein menschlichen Bildung hervorhebt, bei Anerkennung des Einflusses der vom Auslande einströmenden weltbewegenden Ideen doch die ursprüngliche Selbständigkeit des Dichters, die Kraft seiner Intuition, die Glut der Begeisterung, das Gestaltungsvermögen, also das was erst den Dichter macht, betont; wenn er endlich auch mehrfach dem Irrtum derjenigen entgegentritt, welche, wo sich Ähnlichkeit zwischen dem deutschen und französischen Ausdruck zeigt, überall Gallicismen sehen, so scheint er in diesem letzten Punkte hier und da selbst die Grenzen zu eng zu ziehen. Don Carlos I, 1: Des Übels mehr als Gift und Dolch in Mörderhand nicht kannten", soll die Negation undeutsch sein, findet sich aber bekanntlich lange vor Schiller und sehr häufig; ebendahin wird gerechnet I, 1 fürstlicher als er noch keine gute That bezahlte“, I, 2: ich werf mich zu den Füfsen des Königs", I, 2: „sprich mir von allen Schrecknissen des Gewissens", hindern dafs nicht u. s. w. Da fragt man am Ende: nach welcher Regel soll ich etwas als deutsch oder undeutsch bezeichnen? Die alte Philologie ist mit ihrem Urteil vorsichtiger.

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Schiller als erzählender Dichter. Von Fr. Widder. Programm des Gymnasiums zu Lahr 1885. 24 S. 4.

Diese Abhandlung über Schillers Balladen, für die Schule bestimmt, ist wohl geeignet, ein tieferes Verständnis der Schönheit der Gedichte bei der Jugend hervorzurufen. Der Verf. giebt zuerst an, in welche Epoche von Schillers Leben sich die erzählenden Gedichte einreihen; daraus ergiebt sich, dafs die Balladen im poetischen Wetteifer mit Goethe gedichtet sind, dafs die vorausgegangenen philosophischen Studien auf sie Einflufs gehabt haben, dafs die gleichzeitige Beschäftigung mit dramatischen Arbeiten in Komposition und Behandlung ihnen einen dramatischen Charakter

verliehen hat. Zuerst werden die Quellen, aus denen Sch. schöpfte, für die einzelnen Gedichte angegeben und dabei aufmerksam gemacht auf die oft bis zum Wortlaut getreue Benutzung derselben; sodann der Ideengehalt dargelegt; die Kunst des Dichters, mit der er die disparaten Momente der Erzählung in einem harmonischen Ganzen vereinigt hat, wodurch das dramatische Gepräge gewonnen ist; die Kunst, die Episoden, die retardierenden Elemente, nicht als solche empfinden zu lassen, sondern mit Grundidee und Handlung aufs innigste zu verschmelzen; die Wirkung der Kontraste und der Hilfsmittel, welche das Gefühl des Erhabenen erwecken. Die subjektive, Bedeutung der erzählenden Gedichte liegt darin, dafs wir in ihnen ein philosophisches, ein sittliches, ein poetisches Element, also den ganzen Schiller erkennen; die objektive darin, dafs sie alle Klassen des Volkes befriedigen.

Herford.

Hölscher.

1) G. Dannehl, Victor Hugo. Litterarisches Porträt mit besonderer Berücksichtigung der Lehrjahre des Dichters. Berlin 1886. 48 S. 8. (Virchow-Holtzendorffsche Sammlung, neue Folge, 1. Serie, Heft 2.)

2) Vasen, Réflexions sur la poésie lyrique de Victor Hugo. Düsseldorf 1886. 23 S. 4. (Progr. der Rh. Ritterakademie zu Bedburg.)

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Ein einigermafsen abgerundetes Bild der Riesengestalt Hugos zu fixieren, ist in so kleinem Raume unmöglich. Daher auf dem Titelblatt Dannehls Einschränkung. Aber auch so ist der Inhalt des geistreichen Schriftchens ungenügend bezeichnet: der Titel sollte lauten V. Hugos Lehrjahre", da fast zwei Drittel der Abhandlung im Anschlufs an Frau Hugo und an Barbou (über die elende Übersetzung von O. Weber vgl. Sarrazins Kritik in der Zeitschr. f. nfr. Spr. u. Lit. V2, pag. 160 ff.) die Wanderungen und das erste Auftreten des jugendlichen Dichters behandeln. Die Werke des gereiften Mannes werden meist nur gestreift, die lyrischen hinsichtlich ihres Ideengehaltes kurz und treffend analysiert. Dem apologetischen Charakter der Abhandlung entsprechend jede in Deutschland erscheinende Arbeit eines wirklichen Kenners mufs Hugo gegen die ungerechten Verunglimpfungen energisch bekämpfen - verweilt Dannehl längere Zeit bei l'Année Terrible, jener mafslosen, in der Erregung der greuelvollen Zeit gedichteten Satiren: In Dannehls Verdeutschung lauten die bekannten, vom Ref. in seiner Schrift Victor Hugos Lyrik und ihr Entwickelungsgang"* gleichfalls zur Rechtfertigung des Dichters beigebrachten Verse folgendermafsen:

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mein Denken ist in dieser Finsternis,

Die unerwartet stets das Schreckliche gebiert,

Die Wüste, preisgegeben jedem irren Schritt.

Es naht das Schicksal grofs und düster, Schlag auf Schlag,

Und Tag für Tag diktiert die Stunde mir dies Buch,

Die Stunde, die geboren kaum, erschrocken flieht.

* Ein Abschnitt aus derselben ist im 74. Band dieser Zeitschrift abgedruckt (pag. 447). Kritiken in Franco-Gallia 1885, pag. 299-302; Deutsche Litteraturzeitung 1885, Nr. 47; Le Polybiblion Sept. 1885, pag. 285; Litt. Merkur 1886, 127; Gymnasium 1886, pag. 136; Vossische Zeitung 1886, Sonntagsbeilage Nr. 3 etc.

Den gröfsten Wert Hugos, seinen gröfsten Einfluss auf unser Jahrhundert sucht der Verfasser in seiner grofsen und edlen Gesinnung, in seiner tiefen Menschenliebe, in der von den erbittertsten Gegnern nicht gebeugten Lauterkeit seines Charakters und seines Strebens. Dannehls Schriftchen wird unter dem grofsen Publikum kräftig zur Ausrottung der Vorurteile beitragen und von den zahlreichen Fachgenossen, die gegen Hugo immer noch ablehnend sich verhalten, mit Nutzen gelesen werden. 2) Die Abhandlung Vasens ist in Durchführung und Tendenz gänzlich verfehlt. Dem Verfasser gilt Hugo als gewöhnlicher Farceur (pag. 16): le poète me semble toujours sonner la grande cloche; il vous rappelle trop souvent un chaméléon (pag. 17); il est tout rempli de fausseté (?) puisqu'il en laisse sans cesse couler par toutes les fêlures de son âme (ibid.); bald sieht er in ihm einen Tollhäusler: l'idée de Hugo concernant la consommation (?) du genre humain me semble avoir pris naissance à Bicêtre plutôt qu'à Hauteville-House (pag. 10); bald einen gewöhnlichen Lüstling: dans les Chants (sic!) des Rues et des Bois, toute la nature n'est plus qu'un voile fleuri jeté sur le gouffre affreux du cynisme le plus abject qui, dégoûtant par soi-même dans la bouche d'un vieillard, est tout à fait nauséabond par le langage, que l'on ne saurait comprendre à moins d'être l'habitué d'une guinguette de la banlieue (pag. 12). Vor diesen kühnen Behauptungen erschreckt selbst der Verfasser gegen Schlufs seiner Abhandlung und bedauert manche Lichtseite der Hugoschen Muse nicht genügend hervorgehoben zu haben. Wir bedauern, dafs der gewaltige Phrasenwust, die Aufhäufung überflüssiger Epitheta, und nimmer endender Wiederholungen, an denen ja sicherlich die späteren Produkte des grofsen Dichters kranken, den Blick des Laien für den Ideengehalt trüben. Wenige haben die Geduld, aus der bitteren Schale den herrlichen Kern herauszuschälen, und zu diesen gehört eben Vasen nicht. Wir möchten ihm und seinen Gesinnungsgenossen die Worte Paul Hoppes zu bedenken geben: Dans une production de cette variété et de cette étendue, il y a de tout, même le contraire de ce qu'on prend pour son caractère distinctif, ce qui sert à la définir. Vous taxez Victor Hugo de froide rhétorique, et il se trouve que ce rhéteur a écrit les vers les plus simples et les plus touchants de notre langue... D'exceptions en exceptions, on va loin. Quand vous les aurez toutes relevées et additionnées, vous formerez un si gros total qu'il ferait la fortune de vingt poètes. (Revue pol. et littér. 1886, Nr. 21.)

Was die Sprache Vasens betrifft, so kann ihr eine gewisse Eleganz, die sich hin und wieder bis zum poetischen Schwung erhebt, nicht abgesprochen werden. Indessen hätte die sorglich nachfeilende Hand an manchen Stellen geändert. So ist apprécier la hardiesse et le succès dont il a enrichi le langage figuré (pag. 4); oder l'hymne dont il termine sa Lég. des Siècles (pag. 6) grammatisch ebenso anrüchig als Konjunktive si l'on croyait qu'il tachât sérieusement d'y répondre, on se tromperait grandement (pag. 6) und Parfois le poéte semble soupçonner qu'il y ait (pag. 7). Keineswegs musterhaft sind Sätze wie: y a-t-il rien là-dedans (la Lèg. des S.) qui puisse consoler l'esprit cherchant à s'éclairer à l'égard de son avenir à lui et de celui etc. (pag. 6); oder si le loup affamé de la populace enflammée par ses chansons rôde autour du trône de ses rois (pag. 9). Falsch ist die Korrelation d'autant plus que· d'autant moins statt des einfachen plus (et) moins (pag. 14); ebenso il n'y a pas plus dans toutes les ballades rien de ce qui puisse en pistifier le titre (pag. 19). Unangenehm berühren hier und da ungewöhnliche und affektierte Ausdrücke mitten in einer sonst lesbaren und leichtflüssigen Stelle: la disparate choquante (pag. 15), mégalomanie (pag. 15), descensionnel (pag. 15), Providence ultramondaine (pag. 6). Druckfehler stehen noch pag. 5, 6, 7, 10, 11, 14, 20, Baden-Baden. Joseph Sarrazin.

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A Sketch of the Life and Works of John Milton, by Dr. Albert Hamann. Progr. der Luisenschule in Berlin.

In dieser Abhandlung hat Dr. Hamann eine kurze aber vortreffliche Skizze von dem Leben und den Leistungen des grofsen englischen Dichters, sowohl in der Prosa als der Poesie, in englischer Sprache geliefert. Nach einigen einleitenden Bemerkungen über Miltons Geburt und Erziehung, bespricht Dr. H. zuerst L'Allegro und Il Penseroso und dann die schöne Maske Comus und das pathetische Lycidas. Darauf folgt ein kurzer Bericht über Miltons Reisen in Frankreich und Italien, ebenso wie über den politischen Zustand, in welchem er das Vaterland bei seiner Rückkehr fand, und über seine Thätigkeit als Polemiker während der letzten Jahre der Regierung von Karl I. Miltons politische Broschüren sind heutzutage nur wenig bekannt, doch müssen sie von denen gelesen werden, die sich einen richtigen Begriff von der Gelehrsamkeit und der Vielseitigkeit des Dichters bilden wollen. Der Löwenanteil der Abhandlung gehört natürlich Miltons Meisterwerke, dem Paradise Lost, von welchem Dr. H. uns eine allgemeine Übersicht liefert, die mit gut ausgewählten Citaten bereichert ist. Das Paradise Regained wird zunächst einer kritischen Untersuchung unterworfen; mit dem Samson Agonistes, welches Dr. H. mit dem Prometheus von Aschylus vergleicht, wird geschlossen. Die Abhandlung bildet ein wirkliches multum in parvo; der Stil ist klar und fliefsend.

G. Boyle.

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