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seinerseits eine eingehende behandlung der »glorreichen « revolutionen in England und Frankreich. Sind diese etwa ohne kämpfe und blutvergiessen abgelaufen? Oder sollen berichte über die enthauptung von königen auf den schüler erbaulicher wirken als die heldenthaten kühner männer? Oder ist die errichtung eines neuen reiches in folge eines siegreich geführten krieges nicht ein moment von mindestens gleicher culturgeschichtlicher bedeutung wie die einführung des parlamentarismus? Doch es ist hier nicht der ort, mit herrn Wendt über seine politischen anschauungen zu rechten; nur warnen möchte ich davor, schon den schüler durch die wahl und behandlung der fremdsprachlichen classenlectüre für eine bestimmte sociale richtung und cosmopolitische denkweise gewinnen zu wollen. Widerspricht ein gewisser autor oder ein gewisser abschnitt in einem werke den grundsätzen oder dem geschmacke eines lehrers, so steht es ihm ja frei, diesen zu übergehen oder jenen bei seite zu lassen. Ist aber eine wahl getroffen, so behandle der lehrer den stoff so unparteiisch und objectiv wie möglich, was ihm ja auch sonst durch sein amt zur pflicht gemacht worden ist.

Doch kehren wir zu den thesen 7 und 8 zurück, so dürfte aus den vorstehenden erörterungen hervorgehen, dass eine debatte darüber zu den lebhaftesten redekämpfen führen würde, deren ergebniss kaum einen unbestrittenen erfolg der reformer bringen wird. Statt also die zeit der nächsten versammlung durch voraussichtlich fruchtlose debatten zu vergeuden, möchte ich anheim geben, etwa folgende sich an den ersten abschnitt der 7. these anlehnende sätze der beschlussfassung vorzulegen:

Die gesammte lecture soll die kenntniss der realien vermitteln, doch darf dabei der ethische oder ästhetische werth jener nicht vernachlässigt werden.

Von den dichtern sind namentlich die für ihr volk characteristischen zu wählen und so zu behandeln, dass nicht nur ihre bedeutung für die litteraturgeschichte, sondern auch die für das volksthum hervortritt. Unter den historikern verdienen die, welche über die geschichte des eigenen volkes geschrieben haben, den vorzug.

Das lesen technologischer schriften und die berücksichtigung der tagesereignisse sind nur ausnahmsweise zulässig.

Wenn in diesen sätzen die wünsche des herrn Wendt auch manche einschränkung erfahren, wird er sie in ihren wesentlichen

zügen doch erfüllt sehen und ausserdem, wie ich überzeugt bin, die unterstützung einer überwiegenden majorität finden.

Mit der nun folgenden (9.) these:

» Die privatlectüre kann neben (vorwiegend modernen) litteraturwerken aller art auch wissenschaftliche und technische abhandlungen umfassen«.

wird man sich im allgemeinen einverstanden erklären können, unter dem vorbehalt allerdings, dass dabei dem durchschnittsschüler nicht zu schweres zugemuthet werde. Häufig wird man sich damit begnügen müssen, ein in der classe übergegangenes capitel etc. für die privatlectüre aufzugeben und diese durch geeignete sprechübungen, kleine vorträge oder schriftliche aufzeichnungen zu controliren. Wird ein anderer autor dazu bestimmt, so wird es meist rathsam sein, einen solchen zu wählen, der für die classenlectüre der vorhergehenden stufe als passend gilt, so dass dem schüler wenigstens der inhalt leicht verständlich ist. Aber abhandlungen über gegenstände, die bis dahin in der classe noch nicht in der fremden sprache behandelt sind, sollten doch nur hervorragend tüchtigen schülern als privatlectüre überwiesen werden, namentlich wenn solche schriftwerke noch sachliche erklärungen erfordern. Es würde sich daher, um missgriffen vorzubeugen, vielleicht empfehlen, in obige these »in bescndern fällen« oder » ausnahmsweise« einzuschalten.

Ebenso wenig dürfte die 10. these:

» Declamationen, besonders dramatischer scenen, bei schulfeiern erscheinen als ein wesentliches förderungsmittel«,

kaum zu längeren controversen anlass geben, wenn nicht schon das wörtchen >>wesentlich<< zu einer bemerkung herausforderte. Trifft nämlich diese bezeichnung wirklich zu, so wären doch solche übungen häufiger vorzunehmen, als herr Wendt in seinen weiteren ausführungen für nöthig erachtet, und dann sollten nicht nur »musterknaben« dazu herangezogen werden, sondern jeder schüler, der nicht gerade zu unbeholfen ist, sollte einmal zu kleinen dramatischen versuchen (wobei mit recht das conversationsstück zu bevorzugen wäre) gelegenheit erhalten. Freilich darf dadurch der neusprachliche unterricht nicht allzusehr belastet werden, indess findet sich wohl immer einmal eine stunde, z. b. am quartalsschluss, wo dergleichen declamationen passend anzubringen wären. Oder es könnte auch den schülern die freiheit gewährt werden, statt eines vortrags über die privatlectüre eine dramatische scene aufzuführen. Endlich würde gelegentlich ein dazu talentirter lehrer der classe durch die ausdrucksvolle vorlesung einiger E. Kölbing, Englische studien. XXVI. 3.

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scenen den conversationston wirksam veranschaulichen können. Jedenfalls wäre es nicht uninteressant, wenn noch weitere versuche in dieser hinsicht da gemacht würden, wo geeignete kräfte an lehrern und schülern zur verfügung stehen, und erst, wenn diese überwiegend günstig ausfielen, d. h. einen merklichen einfluss auf die besserung der sprech- und der vortragsweise der ganzen classe ausübten, könnte, streng genommen, von declamationen etc. als einem »wesentlichen förderungsmittel«, sc. des neusprachlichen unterrichts, gesprochen werden.

Da die 11. these bereits vorhin in anderm zusammenhang erledigt worden ist, kämen wir nunmehr zur letzten. Sie lautet: (12) »Der VIII. verbandstag erklärt die revision der ordnung für die abschlussprüfung wie für die abiturientenprüfung für eine dringende nothwendigkeit«.

Zu der abstimmung hierüber, die herr Wendt lebhaft wünschte, ist es glücklicherweise nicht gekommen, denn es ist keineswegs ersichtlich, auf welche thatsachen sich die darin enthaltene forderung stützt. Zur zeit, als diese ausgesprochen wurde, zu pfingsten 1898, konnten eben nur die ersten abiturienten geprüft worden sein, die auf grund der neuen preussischen lehrpläne in den neueren sprachen von anfang an unterrichtet waren, es konnte somit noch gar nicht feststehen, dass ihre leistungen durchworan ich übrigens zweifle schnittlich so unbefriedigend waren, dass sofort die nothwendigkeit einer abänderung der prüfungsordnung einleuchtete. Und wenn wirklich übelstände hervorgetreten sein sollten, so wäre doch zuvor zu untersuchen gewesen, ob daran nicht vielmehr die handhabung der bezüglichen bestimmungen als deren beschaffenheit schuld getragen habe. Etwas mehr erfahrungen konnten allerdings bezüglich der abschlussprüfungen vorgelegen haben, allein auch über diese - abgesehen davon, dass von verschiedenen seiten deren gänzliche abschaffung gewünscht wird sind mir klagen der obigen art nicht zu ohren gekommen. Im gegentheil sind die preussischen prüfungsordnungen, die einzigen, über die mir einigermaassen ein urtheil zusteht, so getroffen, dass die reformer ein gut theil ihrer forderungen, wie ich in meinem früheren vortrage hervorgehoben und wie auch herr Wendt anerkennt, verwirklicht sehen: nachdrückliche betonung der lectüre moderner prosa realien sprechübungen freie schriftliche arbeiten etc. Sehen wir hier von der frage der verwendung der lautschrift und andern dingen, die mehr die mittleren als die oberen classen betreffen, ab, so fehlte an ihrer völligen be

friedigung im wesentlichen nur noch die zulassung jener frei reproducirenden schriftlichen arbeiten und der mündlichen wiedergabe des gelesenen in der fremdsprache als den bisher vorgeschriebenen übersetzungen gleichwerthige prüfungsgegenstände. Wollen die reformer die letzteren principiell beseitigen, so dürften sie zunächst doch auf einen hartnäckigeren widerstand stossen, als sie glauben mögen; wollen sie sich aber mit der facultativen einführung dieser abänderungen begnügen, so will ich nichts dagegen einwenden, vorausgesetzt, dass der schulbehörde die jedesmalige zustimmung oder ablehnung vorbehalten bleibt. Denn ebenso schädlich wie ein überhasten und fortwährendes wechseln in amtlichen verfügungen ist, so ist es auch ein stagniren: es giebt unter den menschlichen einrichtungen keine, die nicht durch eine bessere ersetzt werden könnte. Glaubt also die behörde sich auf die tüchtigkeit und umsicht eines zu reformen neigenden lehrers verlassen zu können, so sehe ich keinen verständigen grund, warum sie seinen versuchen nicht einmal raum gewähren sollte. Ich würde daher statt der obigen these vorschlagen folgendes zu setzen:

>>An stelle der schriftlichen und mündlichen übersetzungen als prüfungsarbeiten können in besonderen fällen auch freie übungen in der fremdsprache nach den vorschlägen der

reformmethode treten <<,

womit, wie ich glaube, beiden parteien gedient wäre. Im ganzen ziehe man aber nicht der individualität strebsamer und bewährter männer zu enge grenzen: zu viel reguliren und verfügen bringt nach keiner richtung segen.

Und zum schluss: wollen sich die herren Wendt und genossen damit begnügen, grössere freiheit für ihre versuche und bestrebungen zu erlangen, so wird es ihnen förderlich sein, die erörterten thesen in der von mir angedeuteten umformung dem nächsten neuphilologentage vorzulegen; verlangen sie aber die verpflichtung aller, nach den darin enthaltenen grundsätzen zu unterrichten, so wird auch der IX. verbandstag der schauplatz unerquicklicher und unerspriesslicher kämpfe bilden.

Gr. Lichterfelde, April 1899.

J. Koch.

LITTERATUR.

I.

M. Trautmann, Kynewulf, der bischof und dichter. Untersuchungen über seine werke und sein leben. [A. u. d. t.: Bonner beiträge zur anglistik herausgegeben von M. Trautmann. Heft 1]. Bonn, P. Hanstein, 1898. VIII + 128 ss. 8o. Pr.: mk. 3,60.

Der streit um die dichterische persönlichkeit des Cynewulf wird seit einiger zeit wieder mit erneutem eifer geführt. Unter denen, welche sich um die lösung der mannigfachen, an den namen dieses dichters sich anknüpfenden probleme bemühen, steht Trautmann in vorderster linie. Mit scharfer kritik hat er schon manche schlecht begründete hypothese aus dem wege geräumt, und wenn auch seine eigenen versuche, zu positiven ergebnissen zu gelangen, nicht ungetheilten beifall haben finden können, so dürfen sie doch das verdienst für sich in anspruch nehmen, der discussion der fragen manche neue anregung gebracht und mit erfolg zu verwerthende neue gesichtspunkte aufgestellt zu haben. Diesen vorzug muss man auch der neuesten schrift Trautmann's zuerkennen; denn neben manchen weniger solid begründeten und minder überzeugenden behauptungen enthält sie eine solche fülle von scharfsinnigen beobachtungen und gedanken, dass man sie, auch wenn vielleicht ein grosser theil ihrer resultate als nicht gesichert gelten muss, doch unbedenklich als eine arbeit bezeichnen darf, welche die entscheidung der streitfragen um ein gutes stück näher zu bringen geeignet ist; und wenn sie auch noch nicht den definitiven abschluss von Trautmann's Cynewulf-studien bildet, dieser uns vielmehr erst in einer untersuchung über die quellen Cynewulf's und in einer das ganze werk krönenden ausgabe seiner dichtungen in aussicht gestellt wird, so erhalten wir darin doch einen so bemerkenswerthen beitrag zur biographie des dichters, dass es erlaubt sein wird, den inhalt des büchleins hier ausführlicher wiederzugeben.

Die ersten acht seiten entwickeln vor uns die geschichte der litterarischen forschung über Cynewulf; ihre ergebnisse glaubt Trautmann in die folgenden fünf sätze zusammenfassen zu dürfen:

1. Der sogen. Gudlác besteht aus zwei von einander unabhängigen gedichten, Gudlac der einsiedler und Gudlac's tod, die von verschiedenen verfassern herrühren.

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