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gewesen ist. Herder theilt sie in hochdeutschem Texte aus der Taunusgegend, Simrock aus der Rheingegend in den „Rheinsagen aus dem Munde des Volks" mit. Die zu Grunde liegende historische Begebenheit ist die braunschweigisch-lippische Fehde.

„Henniges von Rheden nemlich und seine Brüder wurden mit ihrem Lehnsherrn, dem Herzog Heinrich von Braunschweig und Lüneburg im Jahr 1398 in eine Fehde verwickelt, in der sie bald genug der Uebermacht des Herzogs weichen mussten, der sie ihres Eigenthums entsetzte und aus ihrem Lande vertrieb. In dieser Verlegenheit nahm sich ihrer der Edle Herr Simon zur Lippe an, und machte sie im Jahre 1403 zu Burgmännern seines Schlosses Varnholz, damit sie sich aus demselben gegen den sie verfolgenden Herzog vertheidigen könnten. In eben diesem Jahre hatten H. Simon, der damals schon sehr alt und kränklich war, und sein Sohn Bernhard mit dem Grafen Hermann v. Eberstein eine Erbverbrüderung geschlossen, und sich dadurch die nahe Hoffnung zum Erwerb der Ebersteinischen Lande verschafft. Denn Graf Hermann von Eberstein hatte keine männlichen Erben. Das braunschweigische Haus, welches schon damals die Besitzungen seiner mindermächtigen Nachbarn in seinen Vergrösserungsplan zog, war über die Vereitelung seiner, auf die Grafschaft Eberstein schon gefassten Absichten empfindlich, und wartete nur auf einen scheinbar gerechten Vorwand, sich deswegen an Herrn Simon und seinem Sohn Bernhard zur Lippe zu rächen. Diesen fand jetzt der Herzog Heinrich von Braunschweig und Lüneburg in der Aufnahme seiner Feinde in das Schloss Varnholz. Mit der ganzen Macht seines Hauses, welche damals nur zwischen ihm und seinem Bruder, dem Herzog Bernhard, der ihn kräftigst unterstützte, getheilt war, rüstete er sich zu einem feindlichen Einfall in die Herrschaft Lippe und war jetzt eben im Begriff, denselben auszuführen, als ihm schon der Edle Herr Bernhard zur Lippe, den angeerbte Tapferkeit und das Beispiel seines Herrn Vaters und seiner Vorfahren zu glänzenden Thaten trieb, bei Hameln mit seinen Rittern Gerhard v. Ensen, Dieterich v. Ketteler, Johann v. Drosten und Friedrich v. Brenken und seiner getreuen lippischen Landesfolge muthig entgegen kam

und am 19. November 1404 am Odernberg ein hitziges Treffen lieferte. Der Sieg krönte Herrn Bernhard. Das braunschweigische Heer wurde geschlagen, zerstreut, und der Herzog selbst mit vielen seiner Vasallen gefangen genommen. Die Beute war gross und reich. Der Herzog musste es sich gefallen lassen, die erste Nacht in einem Wartthurme, der vor diesem an der Burg in Barntrug stand, zuzubringen, den andern Tag bis Blomberg zu reiten und am dritten sich in das feste Bergschloss Falkenberg im Lippischen Wald zu begeben, worinnen er in einer Kammer, welche von ihm nachher die Fürstenkammer hiess, und die man noch im 17. Jahrhundert unter den Ruinen des Schlosses zeigte, 3 Jahr lang als Gefangener verwahrt wurde. Das Andenken dieser Gefangenschaft des Herzogs im Schlosse Falkenberg überlieferten die Bewohner des Lippischen Waldes, nach uralter deutscher Sitte, ihren Nachkommen durch ein Volkslied, etc. Der Umstand, dass die Herzogin v. Braunschweig selbst zu Herrn Bernhard zur Lippe kam, und die Befreiung ihres Gemahls von ihm erbat, würde ohne das Falkenbergische Lied, das sie mit Herrn Bernhard redend einführt, der Nachwelt nicht aufbehalten worden sein, da alle gedruckte und geschriebene Nachricht von der braunschweigisch - lippischen Fehde ihn verschwiegen haben."

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"De Gefangene, den ick gefangen hewwe,
De is mi woren suer:

He liegt to Falkensteen in den Thaurn;
Dorinn sal he verfulen!""

,,Sitt he to Falkensteen in den Thaurn,

Soll he dorinn verfulen;

Sau will ick mal tiegen de Müren trein (treten) Un helpen Leefken truren."

Un as se wal tiegen de Müren trat,

Hört se ihr Leefken drinne:

Sall ick ju helpen? dat ick nich kann, Dat nimmt mi Witz un Sinne!"

„,„,Na Hus, na Hus, Frau Leweste fien,
Un treistet jue arme Weisen!
Nimet ju upt Johr enen annern Mann,
De ju kann helpen truren.""!

,,Neim ick upt Johr enen annern Mann,
Mösst ick by em jo schlopen!

Ick lete doch min Truren nich,
Schlög he mine arme Weisen."

„Ei, sau wult ick, dat ick en Zelter hedde, Un dat de Jungfruen rieden,

Sau wult ick met dem Heeren von Falkensteen Üm minen finen Lewesten strieden!"

"I ne, i ne, schöne Jungefruwe zart!
Dat mösst ick dreigen Schanne;
Nimt ji juen Lewesten by der Hand,
Un treckt met em ut dem Lanne!""

,,Ut dinen Lanne treck ick sau nich,
Du gifst mi dann en Schriewen,
Wenn ick nu kumme int frümde Land,
Dat ick dorinn kann bliewen."

Os se in ene graute Heede kam,

Wal lut fonk se an to singen:

„Nu kann ick den Heeren von Falkensteen

Met minen Worren twingen!"

„Un wenn ick dat nich seggen kann,

Dohenn will ick et schriewen,

Dat ick den Heeren von Falkensteen

Mit menen Worren kann twingen."

Dergleichen ist noch viel durch inündliche Tradition aufbewahrt worden bis auf diesen Tag; aber im Vergleich zu dem, was ehedem lebte, sind's doch nur Trümmer, die an in's Meer versunkne Städte gemahnen, deren Kirchthürme und Dächer der Sage nach von Schiffern bei klarem Wetter noch öfter gesehn werden und aus denen bisweilen noch Glockentöne heraufklingen. „Dem Verschwinden und der Armuth unsrer heimathlichen Ueberlieferung steht entgegen die längere Dauer und die Fülle der Ueberlieferung nah verwandter Bruderstämme, der scandinavischen Völker." Im scandinavischen Norden zwischen starren Eisesklippen, in versteckten dem Verkehr mehr oder weniger unzugänglichen Thälern und Gebirgen hat bis in diese Zeit der alte Volksgesang eine sichere Freistätte gehabt. Auf den Orkney-Inseln hat sich eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Eddaliedern durch lebendige Tradition erhalten. Kein einziges Lied, keine einzige Ballade hat sich bei uns in so ursprünglicher Gestalt gehalten wie bei den Schweden und Schotten. So steht, um das nur mit einem Beispiel zu belegen, das schon vorhin erwähnte Lied von den zwei Königskindern, das übrigens wie es in der Uhland'schen Sammlung vorliegt, in Münster'scher Mundart durch die kürzlich verstorbne, als Dichterin rühmlichst bekannte Anna v. Droste-Hülshoff aus dem Munde des Volks aufgezeichnet ist, in Rücksicht auf Ursprünglichkeit doch in etwas dem entsprechenden schwedischen Liede nach.

Es ist durchaus nicht meine Meinung, dass durch eine Vergleichung unsrer deutschen Ballade irgend Eintrag geschähe durch das Zugeständnis, dass die schwedische den Eindruck grösserer Ursprünglichkeit macht. Die Züge, die ihr verloren gegangen sind, haben für das Verständnis nur untergeordnete Bedeutung, der Vorzüge aber sind so viel, dass sie immer als eine der köstlichsten Perlen der Volkspoesie gelten wird.

Unter den Balladen der Kunstpoesie neuerer Zeit nimmt Bürgers Lenore in Bezug auf die Zeit, in der sie entstand, in Bezug auf künstlerische Vollendung und die auf diesen beiden Punkten beruhende Stellung in der Entwicklung unsrer deutschen Literatur einen hohen Rang ein. Bürger hat mit eser Dichtung, was die Wahl des Stoffes angeht, einen glücklichen Griff

gethan in die Fülle poetischen Stoffes, er hat, was die poetische Gestaltung des Stoffes angeht, einen kühnen Wurf gethan, dessen Gelingen sein poetisches Vermögen für alle Zeiten in das glänzendste Licht gestellt hat.

Und zwar namentlich aus ersterem Gesichtspunkt, dem stofflichen, schien mir die Wahl der Lenore als Ausgangspunkt für eine weitere Betrachtung der Balladenpoesie angemessen. Der deutlich hindurchblickende und zum Grunde liegende Stoff der Lenore ist nemlich seinem Kerne, nach ein in den verschiedensten Variationen poetisch gestalteter Satz der Volkspoesie. Diesen, wie er in Mährchen und Balladen germanischer Völker zu poetischer Gestaltung gediehen ist, vorzuführen, betrachte ich als den wesentlichsten Theil meiner Aufgabe.

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Der Glaube, dass Thränen, Todten nachgeweint, auf die Leiche im Grabe niederfallen und ihre Ruhe stören, tritt uns zunächst in deutschen und überhaupt germanischen Mährchen entgegen, z. B. in dem von den Gebrüdern Grimm erzählten Todtenhemdchen, Gr. 109. Eine ganz ähnliche Geschichte erzählte der im vorigen Jahre verstorbne selige Gotthilf H. v. Schubert; sie erschien zuerst in der Knapp'schen Christoterpe. Hier ist es Mutterliebe, die durch ihre Thränen das Kind zeitweise noch einmal in das Leben zurückruft. Umgekehrt rufen Thränen verwaister Kinder die abgeschiedene Mutter zurück in einer schwedischen Ballade: „Herr Ulfver (d. i. Wolfmann) und Frau Silberlind, die noch jetzt in Westgothland und Upland gesungen wird. Wir begegnen allenthalben christlichen Anschauungen, die an die Stelle von ursprünglich zu Grunde liegenden heidnischen getreten sind. Frau Silberlind, die erste Frau des Ulfver, ist in Himmel, im seligen Verein mit den Engelschaaren; da hört sie, wie ihr kleinstes Kindlein so kläglich weint; sie bittet um die Erlaubniss, zur Erde hinabfahren zu dürfen. Die Erlaubniss wird ihr zu Theil unter der Bedingung, dass sie vor dem Hahnenschrei zurückkehre. Aber die durch ihre Zusprache bewirkte Sinnesänderung der Stiefmutter kommt den Kindern nicht mehr zu Gute. Sie gehn mit der Mutter zugleich zum Himmel ein. Ich muss hier zugleich noch erinnern, dass bei einem Lesen von Volksballaden eben nur das epische Element zum Vorschein

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