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ausdrücklich, dass die Geistlichen, welche das Cistercienserhabit anlegen, es aus Spitzbüberei thun. Wenn Odo Ein Ding klar sagt, so sagt er einmal über das andere, dass er ein strenger Benedictiner der alten Regel sei. Man sieht hieraus, wie die Leute einander abschreiben. Es ist die alte Geschichte. Grimm hat es gesagt, und man sagt es ihm nach. Aber Grimm kannte nur zwei Fabeln und die falschen Angaben der Kataloge, während wir das Buch selbst vor uns haben.

Noch ein anderer Umstand erklärt sich nun leicht und giebt uns einen Fingerzeig über das Alter Odo's, als er seine Fabelsammlung abfasste. Man hat bemerkt, dass er wie ein Franzose über die Engländer schreibt, und daraus geschlossen, dass er so lange in Frankreich gelebt habe, dass er zuletzt ganz Franzose geworden. Es ist aber auch nicht eine Spur zu finden, dass Odo je England verlassen hat. Im Gegentheil weist Alles in seinen Schriften darauf hin, dass er ein Normanne von Geblüte, in England geboren und in Malmesbury erzogen war. In aller Wahrscheinlichkeit ist er auch wohl daselbst verstorben. Um dies klar zu machen, muss ich wieder einen kleinen Abschnitt aus der englischen Kirchengeschichte geben.

Als Wilhelm I. England erobert hatte, wurden sämmtliche höhere Geistliche angelsächsischer Abstammung abgesetzt. Nur Bischof Wulfstan von Worcester erhielt sich in seinem Amte; und das wurde von seinen Zeitgenossen der wunderbaren Beihülfe des heiligen Dunstan zugeschrieben. Der wahre Grund war aber der, dass er ebenso wie die normannischen Prälaten sich mit einem kleinen Heere von wohlbezahlten Söldnern um

geben hatte. Auch der angelsächsische Abt von Malmesbury wurde abgesetzt und an seine Stelle kam Turold, später Bischof von Peterborough, der von Vielen als der Dichter der Chanson de Roland betrachtet worden ist. Nach ihm kam Warin de Lyra, dann Godefroy de Jumièges, der die grosse Bibliothek anlegte und unter dessen Herrschaft Malmesbury die berühmteste hohe Schule in England wurde. Die Sprache aber, sowohl in der Schule als in der Predigt, blieb noch lange das Französische. Es ist anzunehmen, dass Odo's Muttersprache französisch und nicht englisch war. Daher die Gallicismen seines Lateins

und daher auch seine echt normännische Gesinnung, die sich so deutlich in seiner Fabel vom Martinsvogel ausspricht. Man hat gemeint, Odo habe so lange in Frankreich gelebt, dass er sein Vaterlandsgefühl dermassen verloren, dass er sich zuletzt ganz als Franzose gefühlt habe. Aber wir sehen, er fühlte nur wie die übrigen Normannen in England; er sah die Leute angelsächsischen Blutes mit Verachtung an. Die Vermischung der beiden Stämme dauerte beinahe zwei Jahrhunderte. Thomas a Becket war der erste Nicht-Normanne, der wieder zu hohen Ehren und Würden stieg.

Noch bleibt zu untersuchen, ob, wie die Tradition sagt, Odo von Sherrington Lehrer des Johann von Salisbury gewesen ist. Johann widmete diesem Odo ein Buch, nennt ihn aber nur Magister Odo und nicht de Ceringtonia. Weiter heisst es, dass dieser Odo von grossem Einflusse bei Heinrich II. gewesen sei. Es ist unglaublich, mit welcher Fahrlässigkeit und Geistlosigkeit die Leute einander abschreiben! Odo, der Lehrer und Freund Johann's von Salisbury, war einer der einflussreichsten und gewaltigsten Prälaten Englands und der bedeutendste Theologe seiner Zeit. Es war Odo Cantianus, Prior von St. Salvator zu Canterbury und von 1175 an Abt von St. Martin bei Hastings, gewöhnlich Battle-Abbey genannt. Während der Streitigkeiten zwischen dem König und Erzbischof wurde er im Jahre 1166 als ausserordentlicher Legat an Heinrich II. geschickt, der sich zur Zeit in der Normandie befand, Nach dem Morde Thomas a Becket's erwirkte er durch seinen Einfluss beim Könige die freie und ungehinderte Wahl eines neuen Erzbischofs. Dieser Odo stand mit Johann in diesen für die Kirche so gefährlichen Zeiten in fortwährendem freundlichen Verkehr und handelte mit ihm gemeinschaftlich. Von diesem Odo hat man beinahe eine theologische Bibliothek. Er starb 1199 und wurde canonisirt. Sein Fest fällt auf den 2. Juli. Wie man ihn hat mit Odo von Sherrington verwechseln können, ist unbegreiflich.

So erweisen sich denn sämmtliche traditionelle Nachrichten über Odo von Sherrington als falsch und unhaltbar.

Als wahr stellt sich allerdings wenig, aber doch Wichtiges dar. Odo de Ceringtonia, geboren zu Sherrington am Wiley, in der jetzigen Grafschaft Wilts, zu Anfang des zwölften Jahr

hunderts, wurde Benedictiner im Kloster zu Malmesbury, schrieb sein Fabelbuch um die Mitte des zwölften Jahrhunderts. Er lebte und starb ruhig in seinem Kloster. Das Amt eines Castellanus scheint er auf ein Jahr verwaltet zu haben, aber sonst in der Schule als Lehrer beschäftigt gewesen zu sein.

Jetzt wird man verstehen, weshalb Odo die monachos congregatos sine pastore beklagt und weshalb er die drei ersten Parabeln auf die Wahl eines Abtes anwendet. Vielleicht ist sogar in dem Rampnus der ersten Parabel eine Anspielung auf den episcopus Ramsburiensis zu finden.

Odo's Buch wurde mit verschiedenen Zusätzen ins Spanische übersetzt. Diese Uebersetzung ist unter dem Namen des Libro de los Gatos oder Katzenbuches bekannt. Woher erhielt es diesen Namen? Die Antwort darauf finden wir im Kreuzgang des Domes zu Tarragona. Hier sieht man an einem der Capitäler ein mit grosser Kunst gemeisseltes Katzenbegräbniss. Ratten oder Mäuse mit Banner, Weihwasser und Weihwedel gehen der Bahre voran. Auf der Bahre, von vier Ratten getragen, liegt die Katze; unter der Bahre geht eine Ratte mit einem Beile. Dieses Arrangement der Figuren erinnert stark an das des Fuchsbegräbnisses zu Strassburg. In der nächsten Scene hat die Katze die Ratten überlistet. Bahre, Weihkübel, Banner, Alles liegt auf dem Boden, die Ratten fliehen nach allen Richtungen gejagt von der Katze, die eine bereits erwischt hat. Eine Abbildung dieser Sculptur findet man in George Edmund Street's Gothic Architecture in Spain. Ich habe die meisten gothischen Dome in Spanien besucht, aber diese Fabel findet sich nur in Tarragona dargestellt. Ich denke daher, das Katzenbuch wurde in Tarragona geschrieben und erhielt seinen Namen von dem Umstande, dass man in ihm die Erklärung dieser Groteske fand. Dies zeigt aber die grosse Wichtigkeit von Odo's Buch und besonders der Nutzanwendungen, welche er giebt, denn seine Fabeln finden sich in vielen Kirchen dargestellt. Auf diesen Gegenstand werde ich mit mehr Ausführlichkeit später zurückkommen.

Queen's College, Belfast.

A. L. Meissner.

Der Einfluss

des Volksliedes und der älteren Dichtung

auf die Uhlandsche Poesie.

Von

Hermann Schults.

Kein zweiter unserer bedeutenderen Dichter hat auch nur entfernt so tief sich in das deutsche Altertum versenkt, keiner hat auf unseres Volkes ganze Art, seine Sprache und Weise, sein Glauben und Fühlen, sein Singen und Sagen zumal in der älteren Zeit so gründlich und so liebevoll einzugehen und zugleich aus dieser Quelle so voll und tief für seine eigene Poesie zu schöpfen gewusst, wie Ludwig Uhland. Bei ihm begegnet uns eine selten glückliche Vereinigung von gelehrtem Forschen und poetischem Schaffen; diese beiden verschiedenartigen Richtungen in seinem Wesen beeinträchtigen einander nicht nur nicht in ihrer Wirkung, sondern sie ergänzen sich in schönster Weise, und dieser wunderbaren Mischung in seiner Begabung danken wir unseres Dichters so durchaus eigenartige, herrliche Lieder. Auf unsere beiden grössten Sänger, auf Goethe und Schiller, hat hauptsächlich das klassische Altertum Einfluss geübt; an seinen unsterblichen Werken haben sie sich gebildet, während die deutsche Vergangenheit und das deutsche Lied dem Letzteren seiner ganzen Anlage und Richtung nach so gut wie völlig fremd war und auf den Ersteren zwar nicht ohne Einfluss geblieben ist, aber doch nur neben vielen andern, min

destens gleich starken Momenten wirkte. Ganz anders bei Uhland. An der Weckung und Entwicklung seiner poetischen Anlage hat seinem eigenen ausdrücklichen Geständnis nach das klassische Altertum so gut wie gar keinen Anteil gehabt, vielmehr war es die altdeutsche Dichtung, besonders das ältere Helden- und Volkslied, was von Anfang an den tiefsten und nachhaltigsten Eindruck auf ihn machte und fast ausschliesslich seinem ganzen Dichten Anregung, Stoff und Richtung gab. Das alte Lied von Walther und Hildegunde ist, wie er selbst sagt, zunächst es gewesen, was ihn mächtig ergriff: „das hat in mich eingeschlagen" sind seine eigenen Worte. Von weiterem Einfluss war Brentanos und Arnims Sammlung „Des Knaben Wunderhorn" und Herders Volksliedersammlung; weiter die übrigen Werke unserer herrlichen älteren Literatur, um deren Erforschung und Sammlung ja unser Dichter sich Verdienste erworben, die seinen Namen kaum minder als in der deutschen Poesie auch in der deutschen Wissenschaft unsterblich gemacht haben.

Man hat Uhland

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und wie es zunächst scheint nicht

ohne Berechtigung zu den Romantikern gezählt; Heine hat bekanntlich in seiner boshaften Schrift über die romantische Schule, über die freilich er bei der völligen Verschiedenheit seines Wesens und seiner Richtung nur ungerecht urteilen konnte, auch über unsern Dichter ein absprechendes Urteil gefällt. Und doch ist Uhland entschieden kein eigentlicher Romantiker. Seine Stellung zu jenen bezeichnet kurz und treffend Vilmar in seiner Gesch. der deutschen Nationalliteratur folgendermassen: „Ausgegangen von der vaterländischen Richtung der romantischen Schule, hat er das Schwärmerische und Träumerische, eben darum auch Gespannte und Unwahre, welches dem Deutschtum der älteren Romantiker anhing, vollständig überwunden: seine Gesänge haben wie seine Gesinnung Wahrheit, die Gestalten seiner Dichtungen Wirklichkeit." Aus dem fast ausschliesslichen Einfluss der älteren deutschen Dichtung, unter dem Uhland steht, erklärt sich, wie schon oben flüchtig angedeutet, jenes ganz unverkennbare, eigenartige Ge

* Uhlands Balladen und Romanzen erklärt von Heinrich Düntzer. S. 2.

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