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Maître André de Coutances,

Le roman de la résurrection de Jésus-Christ.

Bearbeitung des Evangeliums Nicodemi, nach der einzigen Londoner Hs. des 13. Jahrhunderts herausgegeben

von

Robert Reinsch.

Der normannische Dichter André de Coutances, dessen Lebenszeit mit grösserer Sicherheit in den Anfang des dreizehnten als in das Ende des zwölften Jahrhunderts zu setzen ist, ist bisher auf deutscher Seite noch nicht Gegenstand einer Specialuntersuchung gewesen, wiewohl sein Werk wohl längst eine Herausgabe verdient hätte; denn nur für das eine seiner Cousine gewidmete Gedicht, nämlich die Bearbeitung des Evangeliums Nicodemi, ist die Autorschaft des Dichters mit Bestimmtheit nachweisbar. Der Abbé G. de la Rue, welcher die damals noch in Frankreich befindliche einzige Hs. vom Jahre 1280 nur kurze Zeit in den Händen hatte, bis dieselbe 1836 von der Verwaltung des British Museum zu London angekauft und als Ms. Addit. 10289 katalogisirt wurde, theilte zuerst in seinen Essais historiques sur les bardes, les jongleurs et les trouvères, Caen 1834, sechs Zeilen des Anfangs und die Stelle der Widmung an die dame de Tripehou mit; zugleich wies er demselben Verfasser den Roman des Français zu, welcher satirische Ausfälle gegen die Franzosen enthält und von Achille Jubinal, Nouveau recueil de contes, dits, fabliaux, Paris 1839-42, II, p. 1—17 nach genannter Hs. veröffentlicht worden ist. Nach de la Rue schrieb auch P. R. Wülcker, Das Evangelium Nicodemi in der abendländischen Literatur, Paderborn, Schöningh 1872, p. 25-26 die Archiv f. n. Sprachen. LXIV.

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Satire gegen die Franzosen wie den Roman von Jesu Auferstehung demselben Dichter zu und setzte die Abfassungszeit des ersteren Werkes vor 1203, während er das Gedicht geistlichen Inhalts vor dem oft unklaren Roman des Français noch im 12. Jahrhundert verfasst sein lässt. Nicht gekannt hat Wülcker die Abhandlung von Ch. Lebreton, André de Coutances, trouvère du XIIIe siècle. Etude littéraire sur son temps et son œuvre, Avranches 1868. 42 Seiten 8o. Lebréton benutzt die Notiz über André im 23. Bande der Histoire littéraire de la France und lässt den Dichter um die Mitte des 12. Jahrhunderts geboren sein; sonst geht er nicht über die Angaben de la Rue's hinaus, mit welchem er dem einen Verfasser den Roman des Français und den Roman de la résurrection zuschreibt. Weiter wird hier auf Grund der Ausgabe Jubinal's der Roman des Français analysirt, aber die Hs. selbst ist von L. nicht benutzt worden, so dass diese Studie nichts Neues über den Dichter und sein Werk enthält. Gegen obige Ansichten muss bemerkt werden, dass André de Coutances nur den Roman von der Auferstehung Christi und nicht auch das satirische Gedicht verfasst hat, da in diesem die metrische Form eine andere ist und sich an mehreren Stellen als Verfasser ein sonst nicht weiter bekannter Dichter Andreu, ohne jeden weiteren Zusatz, nennt; auch der Stoff, die lokalen Beziehungen und Anspielungen, die leblose, wenig fortschreitende Darstellungsweise und die innere Verschiedenheit spricht gegen die Gleichheit dieser beiden Dichter. Vielmehr giebt sich André de Coutances als ein unschöpferischer Geist zu erkennen, der sich möglichst treu an seine Vorlage hielt, wie weiter unten noch zu erörtern sein wird; dagegen deutet der Inhalt des satirischen Romans nicht auf einen Geistlichen, sondern auf einen am politischen Leben regen Antheil nehmenden Verfasser. Seine Gewährsmänner führt André de Coutances getreu an; so nennt er V. 80 Nikodemus, ebenso V. 100 und 119; ausserdem führt er V. 89-91 St. Johannes, St. Lukas, St. Marcus und St. Matthäus an, deren Berichten er mehrere im Evangelium Nicodemi fehlende Einzelnheiten über die Passion Christi entlehnt. Doch ist zu beachten, dass André noch andere Quellen kennt; so sind ihm V. 1600-1605 die Namen der drei Parzen, Kλwđó, Λάχεσις, Ατροπος Aúуeσis, "Aтooлoç (aus Ovid, Metamorph. 5, 532; 8, 452; 15, 781 fg.?) bekannt; V. 1921-1922 endlich verräth er Kenntniss antiker Mythologie, wenn er (nach Ovid, Metamorph. 12, 43 fg. oder Virgil, Aeneide 4, 174 fg.?) von der geflügelten" Fama spricht,

welche überall hin läuft und alles aufdeckt. Auch der Sinnspruch V. 513–514, dass Wahrheit steigt und zunimmt, während Lüge schwindet und abnimmt, ist nicht Eigenthum des Dichters. Die Disposition des Gedichtes und das Verhältniss André's zu seiner Hauptquelle, den Gesta Pilati und dem Descensus Christi ad inferos ist aus der folgenden Eintheilung ersichtlich.

V. 1-76 bildet die Einleitung des Dichters, welcher, auf eine fröhlich verlebte Jugendzeit zurückblickend, im reiferen Mannesalter mit seinem Gedicht ein Werk von dauerndem Werthe schaffen will; doch wagt er nicht das unerschöpfliche Lob der jungfräulichen Gottesmutter zu beginnen.

V. 77-88. Die heilige Jungfrau hat er deshalb erwähnt, weil er die Geschichte ihres Sohnes nach Nikodemus' Bericht erzählen will, welcher ihn vom Kreuze abnahm und in sein Grabmal legte, indem er nebst Joseph von Arimathia Christus nicht vom Tode zu retten vermochte.

V. 89-118. Der Dichter nennt die vier Evangelisten, welche über die Passion schrieben; doch er will nur von der Auferstehung berichten und das Büchlein des Nikodemus in die Volkssprache umschreiben, um dasselbe seiner Wohlthäterin und Cousine zu übersenden.

Die Ausführung, V. 119-2027, schliesst sich an die Gesta Pilati von Capitel XI an = C. von Tischendorf, Evangelia apocrypha, II ed., Lipsiae 1876, p. 362 bis 388, wobei der Text theils gekürzt, theils durch Zusätze nach der Vulgata erweitert wird; V. 153-192 bildet einen Excurs des Dichters über die Sonnenfinsterniss und deren Ursachen, Angaben, die er nicht im Evangelium Nicodemi mit vorfand. Mit V. 853 beginnt die Benutzung des Descensus Christi ad inferos, zuletzt abgedruckt von Tischendorf, Evangelia apocrypha, p. 389-412; doch hat der lateinische Text bis Cap. XI mehrfach Kürzungen erfahren. Das Ende des mittleren Theiles enthält den Brief des Pilatus an Kaiser Claudius, bei Tischendorf Cap. XIII (XXIX), p. 413—416 und reicht bis V. 2027.

V. 2028-2039 bildet den Schluss des Ganzen, wobei sich Maistre Andreu nochmals als Verfasser nennt und mit einem kurzen Gebet zu Gott endigt. Soviel über die Quellen des Dichters.

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Von ungenauen Reimen bei André de Coutances ist bemerkenswerth V. 841. 842 vellarz: braz. Von anderen Eigenheiten, beson

ders in stilistischer Beziehung, ist die starke Häufung von synonymen und sinnverwandten Ausdrücken hervorzuheben; z. B. V. 29 la lei, la dreiture; 38 = 1325 sire, maistre; 39 muer, changier; 40 mautalent, dangier; 53 essaucier, loer; 56 afichier, dire; 110 rent, vou; 193 pius, doz; 206 dol, ennui; 290 esbahie, fole, 1243; 301 = 349 pertuis, fenestre; 351 voie, sentier; 352 ferm, entier; 365 vis, sains 423540 660; 371 maudit, hue; 513 monte, croist; 514 abaisse, descroist; 580 distrent, sarmonerent; 604 fantosme, songe; 607 sopris, afolez; 653 sain, sauf = 1143; 728 proierent, requistrent; 751 ennui, paine; 899, 900 ennorer, aorer; 908 = 1368

13851619 trestrembler, fremier; 931 grief, dure; 1180 dotout, cremoit; 1244 deceuz, traiz; 1263 quis, porchacie; 1290 mort, confunduz; 1298 mençonge, fable; 1387 mate, destruit; 1397 gonz, toroiz; 1450 robe, destruit; 1464 forz, puissanz; 1486=1550 ullent, braient; 1496 angoisse, poor; 1507 paine, torment; 1596 brait, crie; 1623 desconfiz, amortez; 1808 creance, foi; 1901 gemissoient, ploroient u. a.

Das Verhältniss des Gedichtes André's zu anderen poetischen Bearbeitungen des Evangeliums Nicodemi aus dem 13. Jahrhundert ist gegenwärtig noch nicht zu beurtheilen möglich, da die von Gaston Paris und A. Bos der Société des Anciens Textes Français vorgeschla gene Publication von drei Versionen dieses Evangeliums in Versen nach drei Florenzer und Londoner Handschriften noch nicht erschienen ist. Vgl. Bulletin de la Société des Anciens Textes. Paris, Didot & Co. 1876. Wünschenswerth wäre eine Veröffentlichung der nur in zwei Handschriften bekannten Version, welche sich in der Pariser Hs. Ms. fr. 19525, fonds St. Germ. 1856, fol. 191, und in der Londoner Hs. Harl. 2253, fol. 23-33b findet; in dieser letzteren beginnt das Gedicht mit dem Titel: La passioun nostre seignour:

Mult fud grant icele electiun,

Dunt Madoleine reçut Symund veir pardun.
Celui eslit, par qui vait tut le mund,

As suenz servanz, ki rend teles guerdons.
Sachez, seignurs, ke dire nel savuns:
En escripture n'enz livre nel trovums;
Lui servum tuz, cel luier en averums
Pur robeur en vie nel perderums etc.

und endigt unvollständig:

Tant cum nus sumes el siecle, sil poum reclamer,
Qu'il dolget de nus tot içoe, qu'il het,

E sez comandemens nus duinst issi garder,
Ke la sue amiste en puissum achater.
Içoe si nus otreit li parmanables Deus,

Qui home e femme cel e tere e mer ..... Amen.

In derselben Hs. folgt unmittelbar hierauf fol. 33-41b eine Prosabearbeitung des Evangeliums Nicodemi mit der Ueberschrift: De la passioun Ihesu, wovon der Anfang lautet:

[Cloe avint al quinzime an, que Tyberie Cesar aveit este emperur de Rome e al disnefime an, qui Herodes, le fiz Herode, aveit este rei de Galilee e en l'utisme kalende d'averil, ki est el vint e neofime jor de marz e al quart an del cunte Rufin e Leun, en l'an quant furent evesques Joseph e Cayphas, el quint an aproef la passiun nostre seignur, Nichodemus escrist ceste hystorie en Ebreu e en Latin. Anna e Chayphas e Sobna, Datan e Abiron, Gamaliel, Judas, Levi, Neptalim, Alixandre e Syr e li altre Judeu vindrent a Pilate encontre Ihesu, si l'acuserent de multes paroles e distrent: Nus savum, que cest est fiz Joseph le fevre, nez de Marie, e il dit, qu'il est le fiz Deu e rai e nun solement viole nostre sabat, mes la lei nostre pere volt defere. Dist Pilate Que fait il? Li Judeu dient: Sulunc nostre lei nul ne deit altre guarir d'enfermete el sabat. Icist a certes guarist les surz e les elops e les curves e les paralitikes e les ciuz e les leprus e les encumbrez de deable e çoe par mals feiz. Pilate dist: Coment est per mals feiz? Il li dient: Sorciere est e par le prince des deables Beelzebub jete hors les deables, e totes choses li sunt aclin.

Dist Pilate: Coe

n'est mie par le maligne espirit geter hors deables, enz est par vertu de Den. Li Judeu dient a Pilate: Nus te prium, que tu le facez venir devant tei e si l'oiez parler. Pilate apele sun bedel, si li dit: Sire, alez, si m'amenez amiablement Thesu. Le bedel s'en eissi, il [le] Conuit, si(1) l'aura, e un drapel, qu'il portout en sa main, a tere le stendit, si(1) dit: Sire alez sur cel drap, si venez al prince parler. Li Judeu virent, que li bedels firent, crierent a Pilate, si distrent: Pur quai nel faites a altre apeler e ne mie al bedel? Kar nus veimes ke le bedel l'aura, si li dit: Sire, le prince vus apele. Pilate apele le bedel, si li demande: Pur quai faites tu çoe? Li bedel li dit: Quant vas m'enveastes a Alisandre en Jerusalem, dunc vi joe Jhesu seir sur

*Was in eckigen Klammern steht, bedeutet, dass es in der Hs. fehlt was in randen Klammern, ist fehlerhafter Zusatz der Handschrift.

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