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Ueber Klopstock's poetische Sprache,

mit besonderer Berücksichtigung ihres Wortreichthums.

(I. Theil.)

Dass keine, welche lebt, mit Deutschlands Sprache sich In den zu kühnen Wettstreit wage!

Sie ist, damit ich's kurz, mit ihrer Kraft es sage,

An manichfalter Uranlage

Zu immer neuer, und doch deutscher Wendung reich;
Ist, was wir selbst, in jenen grauen Jahren,

Da Tazitus uns forschte, waren,

Gesondert, unvermischt und nur sich selber gleich.

(Epigramm ,,Unsere Sprache".)

In dem Leben eines gesunden Volkes tritt selten ein längerer Stillstand ein; wenn auch seine Kräfte unter dem Drucke widriger Verhältnisse kurze Zeit schlummern, so erwachen sie doch bald wieder zu einer neuen, segensreichen Thätigkeit, unterziehen die Zustände und Einrichtungen einem beständigen Umwandlungsprocesse und führen sie allmählich einem höhern Grade der Vollkommenheit entgegen. Diese Veränderungen, die sich im Leben eines Volkes vollziehen, diese Fortschritte auf geistigem und materiellem Gebiete spiegeln sich auch in seinem kostbarsten Kleinode, in der Sprache ab: ihr obliegt es ja, den neuen Verhältnissen, die ins Leben treten, den neuen Begriffen, die entstehen, die richtige Bezeichnung zu geben und

wenn es ihr in dem vorhandenen Sprachschatze an treffenden Ausdrücken fehlt, Neubildungen vorzunehmen. Dem Schaf fen von neuen Wörtern steht jedoch nicht immer der Sprachgenius zur Seite, und verunglückte, missgestaltete Neubildungen. gehören gerade nicht zu den Seltenheiten: allein sie bringen es

nur zu einem kurzen, ephemeren Leben,* früher oder später werden sie von der Flut der Zeit hinweggespült, und an ihre Stelle treten Wörter, denen der Genius der Sprache seinen Stempel aufgedrückt hat, die den in der Sprache waltenden Gesetzen, die sich im Laufe von Jahrhunderten zu festen, unumstösslichen Normen entwickelt haben, entsprechen.

An dieser Thätigkeit, der weitern Entwickelung der Sprache, nimmt zwar das ganze Volk Antheil, indessen ** sind und bleiben es doch ihre Gelehrten, und unter ihren Gelehrten die Schriftsteller von Genie, Talenten und Geschmack, ihre Dichter, Redner und Geschichtschreiber und populäre Philosophen, die zu ihrer Bereicherung, Ausbildung und Polirung das meiste beitragen."

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Das grösste Verdienst um die Ausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache hat sich unstreitig Luther erworben. ,,Niemand, *** der weiss, was eine Sprache ist, erscheine ohne Ehrerbietung vor Luthern. Unter keinem Volke hat Ein Mann so viel an seiner Sprache gebildet." Er hat die Wacken und Klötze aus dem Wege geräumt, auf dass man konnte so fein dahergehen." Hätte man das Beispiel, das Luther gegeben, befolgt, wäre man auf der Bahn, die er betreten, weiter fortgeschritten, so wäre der deutschen Sprache eine reiche Entwicklung und eine schöne Zukunft gesichert gewesen. Doch die Verhältnisse in Deutschland waren nicht darnach, dass der gesunde, kräftige Samen, den Luther mit vollen Händen auf den deutschen Sprachboden ausstreute, in üppiger Fülle hätte emporschiessen können. Die Begeisterung, die man den wiedererwachten klassischen Studien entgegenbrachte, hatte zur Folge, dass die deutsche Sprache von der lateinischen in den Hintergrund gedrängt wurde, und als später Frankreich durch seine politischen Erfolge und literarischen Leistungen tonangebend wurde, überschwemmten französische Geistes producte ganz Deutschland, und Galliette verdrängte bei den höheren Ständen Teutonen.

Klopstock, Grammatische Gespräche: Nicht wenige sollen des Morgens geboren, und des Abends schon hingewesen sein.

** Wieland, Sendschreiben an einen jungen Dichter. *** Klopstock, die deutsche Gelehrtenrepublik.

Und doch war es noch nicht das Schlimmste, was der deutschen Sprache widerfahren konnte, dass sie in den Kreisen der Gelehrten der lateinischen, und an den zahlreichen grossen und kleinen Höfen der französischen den Platz räumen musste ;* ein bei weitem grösserer Nachtheil erwuchs ihr daraus, dass sie auch in den Kreisen, wo ihr die Herrschaft verblieb, mit fremden Elementen so reichlich untermischt wurde, dass ihr eigenstes Wesen, ihre Natur unter diesem Wuste zu verkümmern drohte.

In patriotischer Entrüstung klagt Friedrich von Logau über die Entstellung der deutschen Sprache durch das übermässige Eindringen fremder Wörter:

Das deutsche Land *** ist arm; die Sprache kan es sagen,
Die jetzt so mager ist, dass ihr man zu muss tragen
Aus Frankreich, was sie darf und her vom Tiberstrom,
Wo vor Latein starb auch mit dir, unrömisch Rom.
Zum Theil schickt's der Iber; das Andre wird genummen,
So gut es wird gezeugt und auf die Welt ist kummen
Durch einen Gerneklug, der, wenn der Geist ihn rührt,
Jetzt dieses Prahlewort, jetzt jenes rausgebiert.
Die Musen wirkten zwar durch kluge Tichtersinnen,
Dass Deutschland sollte deutsch und artlich reden künnen.
Mars aber schafft es ab und hat es so geschickt,

Dass Deutschland ist blutarm; drum geht es so geflickt.

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Es bleibt ein Verdienst Opitzens, dass er schon als Jüngling in seinem Aristarchus † gegen das Ueberwuchern fremder Wörter in der deutschen Sprache und gegen die einreissende Herrschaft des Lateinischen seine Stimme erhob. Ungeheuerliche Wortformen, wuchernde Auswüchse dringen ein, jedem echten Deutschen zur Entrüstung und zum Ekel; wir borgen bei den Lateinern, Franzosen, Italienern und Spaniern, selbst die Griechen sind vor solchen Entlehnungen nicht sicher. Und

• Friedrich von Logau:

Wer nicht französisch kan,

Ist kein gerühmter Mann.

Sinngedichte, herausgegeben von Gustav Eitner, 1870.

***Sinnged. 57. Deutsche Sprache. Vgl. auch Sinnged. 273, 401, 439, 449, 753 und Lessing, Vorbericht von der Sprache des Logau.

† Aristarchus sive De Contemptu Linqua Teutonicæ.

Archiv f. n. Sprachen. LXIV.

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doch geschieht das ohne zwingenden Grund. Unsere Sprache ist nicht arm, wie man vorgibt, sie kann Fremdes entbehren; weder in ungebundener, noch in gebundener Rede stehen wir einem andern Volke nach.“

Opitzens Mahnruf fand sein Echo bei den Sprachgesellschaften; wenn auch ihre Kräfte nicht ausreichten, der matten Poesie frisches, gesund pulsirendes Leben einzuhauchen, so hielten sie doch die nationale Fahne gegen die immer mehr um sich greifende Ausländerei aufrecht.

Auch hervorragende Gelehrte traten für das Recht der deutschen Sprache in die Schranken und forderten, dass sie gleich der lateinischen für wissenschaftliche Werke verwendet werde. Leibnitz hat sein Interesse für die weitere Ausbildung der deutschen Sprache in den beiden Schriften: „Ermahnung an die Deutsche, ihren Verstand und Sprache besser zu üben, und unvorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache" bekundet.

Wenn auch nicht verkannt werden kann, dass Opitzens Beispiel von vielen befolgt wurde, und dass manches poetische Talent an der weiteren Entwickelung der deutschen Sprache mitgewirkt hat, so war die Errungenschaft, die das 17. Jahrhundert dem folgenden als Erbe hinterliess, doch nicht gross, und es blieb dem 18. Jahrhundert noch eine grosse Aufgabe zu lösen übrig, wenn es die deutsche Sprache wieder zu ihrer früheren Reinheit erheben und ihr zugleich inneren Adel verleihen wollte.

Gottsched, der für manche Schäden und Gebrechen der deutschen Literatur ein offenes Auge hatte und dieselben beseitigen wollte, legte auch an die Sprache seine reformirende Hand an. Er suchte mit dem ganzen Einflusse seiner Persönlichkeit der deutschen Sprache einen ebenbürtigen Platz neben der lateinischen und französischen zu verschaffen; ihm lag die Reinheit der Sprache am Herzen, und er räumte mit den fremden Wörtern gründlich auf, ohne gerade den blinden

*

* Grundlegung einer deutschen Sprachkunst von Joh. Chr. Gottsched. Leipzig 1752. Seite 190, § 23: Es ist nehmlich nur eine unnöthige Mengsucht einiger vormaligen Schriftsteller gewesen, dass sie sich unzähliche Fremdwörter angewöhnet, die man eben sowohl deutsch geben kann, wenn man nur in guten deutschen Büchern ein wenig belesen ist.

Eifer der Puristen zu theilen.* Die Verdienste, die sich Gottsched um die Sprache erworben hat, sollen nicht geleugnet werden; er hat es durch seine masslose Ueberhebung nur selbst am meisten verschuldet, dass ihm dieses, sowie manches andere Verdienst streitig gemacht wurde. Doch der Sprache den Weg vorzuzeichnen, auf welchem sie sich aus ihrem Verfalle wieder erheben konnte, dazu reichten die bescheidenen Kräfte Gottsched's nicht aus. Wie hätte sie ihre Plattheit ablegen, frische Kraft erlangen und zu einem poetischen Schwunge sich erheben sollen, wenn er die Deutlichkeit ** als eine Cardinalforderung hinstellte.

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Um diese grosse Aufgabe zu lösen, bedurfte es eines Sprachgewaltigeren, und das war Klopstock, „der, *** sowie Alexander Macedonien, die deutsche Sprache seiner Zeit nothwendig für sich zu enge finden musste, der sich also in ihr eine Schöpfersmacht anmasste, diese zur Bewunderung ausübte, und zu noch grösserer Bewunderung nicht übertrieb; ein Genie, das auch in der Sprache eine neue Zeit anfängt."

Wieland ertheilt in seinem Sendschreiben einem jungen Dichter den Rath, wenn er „unsere durch eigenthümlichen Reichthum so vorzügliche Sprache in ihrem ganzen Umfange, von allen ihren Seiten, in allen Kräften und Anlagen kennen und gebrauchen lernen wolle", besonders Klopstock zu studiren. „Ich müsste, sagt er, die Hälfte der Messiade abschreiben, um Ihnen Stellen auszuzeichnen, wo die Sprache dem Dichter zu jedem Ausdruck sanfter, zarter, liebevoller, trauriger, wehmüthiger oder erhabener, majestätischer, schauervoller, schrecklicher, und ungeheurer Gegenstände oder Empfindungen freiwillig entgegengekommen ist: und die andere Hälfte, um Ihnen in Beispielen zu zeigen, wie dieser grosse Dichter die Sprache, die er fand, auszuarbeiten, zu formen, zu wenden, kurz, zur seinigen zu machen gewusst hat. Niemand hat

*S 193, § 25: Indessen wollen wir desswegen alle die Grillen einiger vormaligen Zesianer, und Pegnitzschäfer auch Glieder der fruchtbringenden Gesellschaft nicht billigen, die alles, was einigermassen fremd war, aus dem Deutschen ausmerzen wollten.

** Wie nun der Reichthum und Ueberfluss die erste Vollkommenheit einer Sprache abgibt: so ist es auch gewiss, dass die Deutlichkeit derselben die andere ist.

*** Herder, Fragmente zur deutschen Literatur, Erste Sammlung.

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