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lieset, so beschleicht einen unwillkürlich ein gewisses Gefühl von Bangigkeit, denn viele der angezogenen Irrthümer sind uns schon so geläufig geworden, dass wir das Unschöne und Unrichtige, was in ihnen liegt, nicht mehr so leicht empfinden.

Eine andere Frage ist die, wer trägt an diesem Uebelstande die

Schuld?

In erster Linie tragen sehr viel zum Sprachverderben jene Zeitungen bei, die in ihren Abhandlungen und Darstellungen das sogenannte nachlässige Zeitungsdeutsch in Anwendung bringen. Die Hast, mit der der Tagesschriftsteller arbeiten muss, die Eile, in der auf der Redactionsstube oft producirt wird, um die Neugierde des Publikums zur rechten Stunde befriedigen zu können, sind Ursache, dass so Manches gedruckt wird, was besser ungedruckt bliebe. Und das, was das Publikum in der Zeitung lieset, gilt ihm nachahmenswert, und merkwürdig, dass gerade das Ungewöhnliche und Ungereimte am schnellsten Verbreitung findet.

Die Schulen leisten solchen Modenarreteien viel zu wenig Widerstand, denn Irrthümer, die anfänglich nur in den Zeitungen angetroffen werden, verpflanzen sich nach und nach in die Schulstube.

Die Methode des Sprachunterrichtes, so viel Gutes schon über dieses Capitel gesprochen und geschrieben worden ist, lässt noch Manches zu wünschen übrig. Etliche Methodiker verwerfen jeden grammatischen Unterricht und verlassen sich bei ihren Schülern auf den guten Sprachgeist, recte das Sprachgefühl, und ihr ganzer Unterricht läuft auf recht viele, leider auch sehr oft auf rechte flache und platte Rede- und Sprechiibungen hinaus, bei denen schliesslich doch den Schülern zwischen Sprachrichtigkeit und Sprachüblichkeit jedwede Ueberzeugung fehlt. Die anderen extremen Geister suchen das Heil einzig und allein in der Grammatik, also im Regelwerk, besonders tyrannisiren sie die Jugend mit der leidigen Orthographie, und versäumen darüber das Allerwichtigste, die Sprache an der Sprache zu lehren, an der lebendigen Rede, am Zauber des Wortes, das zu gelegener Stunde gesprochen oder gelesen, Gemüth und Herz für Form und Sache wie mit einem Schlage öffnet.

Noch schlimmer sieht es mit jenen Sprachmeistern aus, deren hohe Kunst in der Wörter- und Namenaufzählungsmethode besteht.

Bei jedem Abschnitt, insbesondere, wie leicht begreiflich, bei jenen der Orthographie, wollen sie immer alle Wörter mit pein

lichster Gewissenhaftigkeit in alphabetischer Reihenfolge aufzählen und verderben damit der Jugend die ganze Lust und Freude an dem Studium der Sprache. Mir liegt eine solche Schulgrammatik für höhere Lehranstalten vor, welche unter den beliebten ähnlichlautenden Wörtern über 1600 ohne allen inneren Zusammenhang aufzählt, darunter natürlich auch solche wie Kresse und Grösse, das Gute und die Kutte, der Garten und die Karten. Wer noch auf dieser Stufe - für fünfzehnbis zwanzigjährige Lehramtszöglinge ist das Buch geschrieben — das Gute mit der Kutte verwechselte, der würde auch durch diese blosse Namenaufzählung um nichts gescheiter, im Gegentheil er würde durch das Aneinanderreihen solcher Begriffswörter erst recht unsicher, wenn nicht gar verrückt, weil das eben eine Methode ist, die nicht vom Leichten zum Schweren fortschreitet, sondern vom Bizarren zum Verrückten.

Ungleich gefährlicher für die Sprachrichtigkeit sind besonders jene Methodiker, welche in ihren Sprachbüchern aus orthographischen Rücksichten Sätze formen, wie: Böse Hexen reiten auf Besen." ,, Lese das Räthsel und löse es auf." „Das Pferd schlägt mit den Hinterfüssen" etc.

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In den Schulen wird in unseren Tagen meistens zu viel gelehrt und zu wenig gelernt und zu viel in die Weite und Breite anstatt in die Tiefe gegangen. Die Schüler an den Volksschulen haben schon so viele Bücher und oft noch recht dickleibige, die in einem Jahrescurse nicht bewältigt werden können und da bleibt dann vieles unerläutert, unerklärt und Manches, was bei weitem bedenklicher ist, halbverstanden.

Für Vieles, was gelehrt wird, sind unsere Schulkinder noch gar nicht reif. Man denke nur an den Unterricht in der Literaturgeschichte, der gewöhnlich auf das Nachsagen und Nachbeten von Vilmars kritischen Urtheilen hinausläuft, ohne die betreffenden Meisterwerke gelesen, genossen und verstanden zu haben.

Eine nahezu verrückte Idee ist es, wenn sie auch sehr allgemein ist, aus den Classikern die nächstbesten Sätze ohne Rücksicht auf das, was vorausgeht oder nachfolgt, herauszuheben und sie zur beliebten Beispielgrammatik bloss deshalb zu verwenden, weil sie aus classischen Denkmälern gezogen sind. Mancher Gedanke verliert dadurch seinen ganzen Wert und Gehalt, und mancher Satz, aus seinem Gefüge gehoben, ist als Mustersatz für den grammatischen Unterricht kaum

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Wie er winkt mit

Von dem Helm zum

Kranz spielts wie Sonnenglanz, auch des Wappens nette Schilder loben den erfahrnen Bilder" Ihr seid in Uri nicht sicher vor des Landenbergers Arm, denn die Tyrannen reichen sich die Hände" Von der Stirne heiss rinnen muss der Schweiss"

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ganz und voll erfassen. Welch weiten Abschweifungen, Erklärungen und Zusätze muss der Sprachmeister machen, damit seine Schüler solche lose Sätze in der Bedeutung und in dem Sinne nehmen wie das die Absicht des Classikers ist! Die grammatischen Grundbegriffe sind an einfachen im Anschauungskreise der Jugend liegenden Exempeln zu entwickeln und nicht etwa an Redefiguren, Tropen u. dgl. Das Erläutern und Erklären von poetischen Schönheiten gehört auf ein ganz anderes Gebiet als auf das der Grammatik und der Sprachrichtigkeit.

Auch die verschiedenen Concentrationsformen des Unterrichts, insbesondere die gewaltsame, die confuse und die rein äusserliche arbeiten der Sprachrichtigkeit geradezu entgegen. Was wird öfters nicht alles an einem Lesestück gelehrt und erklärt: Ein Stückchen Orthographie, ein Stückchen Metrik, ein Stückchen Grammatik, etwas mündlicher und etwas schriftlicher Gedankenausdruck und das alles im Zeitraume von einer Stunde.

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in einer Form ge

Die Sätze, Sprüche und Reimlein, die man häufig als ersten Lesestoff in den Fibeln verwendet, werden weil man die Kinder möglichst schnell ganze Sätze lesen lassen will boten, die unter allen Umständen verwerflich ist. ten sind hoch Disteln stechen

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Urtheile wie: Fich

Elephanten

sind selten

Ler

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nahen Füchse sind listig Bäumen Rehe schaden oft Vier Stiefel geben zwei Paar etc., thun dem Geiste unserer Sprache Zwang an und es wäre wirklich an der Zeit, wenn diese unsinnigen Urtheile aus den Elementarbüchern einmal verbannt würden. Auch die Methodenreiterei trägt viel zur Vernachlässigung des Sprachgefühles bei, weil sehr oft das Hauptgewicht statt auf die Hauptsache auf methodische Spitzfindigkeiten

Winde wehen Hasen schaden den

und nebensächliche Meisterstücklein gelegt wird, wobei die betreffenden Methodiker kleinlich im Grossen und gross im Kleinlichen sind. Noch schlimmer wird die Sache, wenn sich die Herren Schuldirectoren, Schulleiter, Scholarchen und Schulaufseher mit ihren subjectiven Meinungen und Ansichten in die Methoden der Sprachmeister einmengen wenn auch mit der allerbesten Absicht und denken, nur sie seien die vom Sprachgeist Begnadeten und Erleuchteten und daher auch in Stand, unfehlbar die beste der Methoden bestimmen zu können. Directoren, Schulleiter, Revisoren, Inspectoren etc. sollen lieber achten, ob der Lehrplan eingehalten und die amtlichen Pflichten gewissenhaft erfüllt werden, und darnach sollen sie die Fleissigen belohnen und beloben, die Säumigen aufmuntern und tadeln und mit ihren subjectiven Meinungen sollen sie die Sprachmeister verschonen und die Freiheit des Unterrichtes nicht noch mehr beschränken als das leider schon zur

Genüge geschehen ist. Die Methode allein macht noch nicht den Sprachlehrer, sondern die Methode wird erst gut, wenn sie der rechte Mann handhabt. Um Tüchtiges in Bezug auf die Sprachrichtigkeit zu leisten, gehört gar viel dazu, mit einigen methodischen Kunststücklein ist da sehr wenig geholfen. Gefährlich ist es sogar, wenn Schuldirectoren oder Scholarchen mit ihren subjectiven Ansichten auf die Methode des Sprachunterrichtes Einfluss nehmen und die Schulmeister bald direct, bald indirect, zwingen, eine Methode zu gebrauchen, die ihnen fremd ist oder wenig behagt. Eine Methode, die man nicht beherrscht, die man nicht mit Liebe treibt, mit der richtet man beim Sprachunterricht nicht viel aus. Mit Ueberzeugung muss in der Muttersprache unterrichtet werden, mit Ueberzeugung muss der Sprachmeister bald synthetisch, bald analytisch, bald inductiv, bald deductiv sein.

So gäbe es noch viele Ursachen anzuführen, die einwirken, dass sich manche Schlacken an unsere Sprache angesetzt haben und noch ansetzen werden.

Schliesslich will ich nur einen Wunsch aussprechen, nämlich den, dass Andresens Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit im Deutschen vorzugsweise die Tagesschriftsteller und die Lehrer eingehend studiren und die einzelnen Fälle auch recht beherzigen möchten, die einen in ihren einflussreichen Zeitungen, die anderen in den nicht minder einflussreichen Schulstuben.

Wien.

Franz Branky.

Der Dialect von Ile-de-France

im XIII. und XIV. Jahrhundert.

*

Von einem Dialect von Ile-de-France wird häufig von den Forschern auf dem Gebiet der französischen Grammatik gesprochen im Gegensatz zu anderen Dialecten, dem Burgundischen, Picardischen, Normannischen und Anglonormannischen, ohne dass bisher ernstlich der Versuch gemacht ist festzustellen, was eine besondere Stellung diesem Dialecte einzuräumen zwingt, und woran man im Gebiet von Ile-de-France entstandene Texte als solche zu erkennen vermag. Bei Fallot, Diez, Le Roux de Lincy** und Burguy sieht man sich vergeblich danach um. Diez I, 127 nennt zwar einige Merkmale der centralfranzösischen Mundart, die er nach Rutebeuf beurtheilt, indess dieselben sind keine Specifica, vielmehr allgemein französische Formen (chiere, brisier, loier u. s. w.), und meist der burgundischlothringischen Handschrift der Werke des Rutebeuf (parleir u. s. w.) entnommen, die Diez für eine Originalhandschrift angesehen zu haben scheint. Mit keinem besseren Erfolge citirt sodann Le Roux de Lincy a. a. O. p. LXXIX einige nach seiner Ansicht characteristische Formen der Sprache von Paris, die sich aber vielenorts finden. Und wenn G. Paris*** das Alexiusgedicht und das Rolandslied einem gemeinsamen Sprachstamme zuzuweisen sich geneigt erklärt, aus dem das Neufranzösische soll hergeleitet werden können und demgemäss in jenen Dichtungen die ältesten Denkmäler der Sprache von Ile-de-France

* Recherches sur les formes grammaticales de la langue française au XIIIe siècle, Paris 1839, p. 21.

** Les quatre Livres des Rois, Paris 1841, p. LXXIX. *** Vie de Saint Alexis, Paris 1872, p. 42 und 44.

Archiv f. n. Sprachen. LXIV.

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